April 2004
Human Rights Update
April 2004
  1. Fünf Studenten der Tibet Universität festgenommen, einer von der Hochschule verwiesen
  2. China blockiert die US-Menschenrechtsresolution bei der 60. UNHRCR-Versammlung
  3. Portrait einer politischen Gefangenen: Elf Jahre Gefängnis für die resolute Nonne Jangchub Dolma
  4. Zeugnis eines ehemaligen politischen Gefangenen: Jigme Gyalpo erzählt
  5. Mönche benötigen eine Erlaubnis zum Meditieren
  6. Das TCHRD gedenkt des 15. Geburtstags des XI Panchen Lama
  7. Chinesische Behörden verschärfen die Internet-Überwachung
Teil 1

Fünf Studenten der Tibet Universität festgenommen, einer von der Hochschule verwiesen

Wie früher (siehe HRU August 2003) berichtet, wurde im Juni 2003 ein tibetischer Student der Tibet Universität in Lhasa namens Dawa Tashi verhaftet. Er ist inzwischen aus Tibet geflohen und hat Dharamsala erreicht, wo er dem TCHRD berichtete, was sich damals zugetragen hatte.

Dawa Tashi zufolge kamen am 9. Juni 2003 Beamte des PSB Lhasa in Zivilkleidung auf den Campus, um die Zimmer der Studenten zu durchsuchen; sie fanden dabei einen an die Vereinten Nationen adressierten Brief und andere Texte politischen Inhalts. Dawa und vier weitere Studenten wurden unverzüglich verhaftet und anschließend ins PSB-Gefängnis der TAR gebracht. Die fünf hatten politische Aufsätze verfaßt und heimlich eine Gruppe namens "Demokratische Jugend Tibets" (tib: gangs ljongs gzhonu'i dmangs tso tshogpa) gebildet.

Da die Gruppe politische Aktionen nur geplant, jedoch noch nicht ausgeführt hatte, wurden Pema Lodhen, Tashi Topjor, Choenyi Penpa und Tsering Ngodup nach einem Monat Haft wieder freigelassen und durften an die Universität zurückkehren. Dawa Tashi wurde jedoch verdächtigt, der Anführer gewesen zu sein und wurde daher einen weiteren Monat lang festgehalten.

Am 25. August 2003 wurde er entlassen und kehrte an die Universität zurück. Doch nun machte ihm der Direktor und Vorsitzende der Tibetischen Fakultät schwere Vorwürfe, dem Ansehen der Universität geschadet und andere Studenten gegen die Regierung aufgehetzt zu haben. Man drohte ihm damit, ihn ohne Abschluß von der Universität zu verweisen. Es wurde eine Versammlung einberufen, an der etwa 3.000 Studenten und Angehörige der Fakultät teilnahmen und auf der Dawa beschuldigt wurde, ein Sympathisant der "Dalai-Clique" zu sein. Zweck dieser Veranstaltung war die Verurteilung von Dawas "spalterischen Aktivitäten". Der Öffentlichkeit wurde Dawas schändliches Verhalten durch Lautsprecherübertragungen und Artikeln in Zeitschriften bekannt gegeben. Es wurden Abteilungsbesprechungen abgehalten, und die Studenten mußten kritische Essays über Dawas Aktivitäten verfassen.

Dawa, der nur noch eine Prüfung für seinen Abschluß abzulegen gehabt hätte, klagte: "Ich war sehr niedergeschlagen, als sie mich hinauswarfen. Mein Leben war zerstört. Es war niederschmetternd, nach all diesen Jahren des Studiums so kurz vor dem Studienabschluß von der Hochschule verwiesen zu werden. Für meine Zukunft sehe ich schwarz".

Die Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP) berichtete im August 2003, der stellvertretende Bürgermeister von Lhasa hätte einer Gruppe von Medienvertretern gegenüber, die auf einer offiziellen Reise durch die TAR waren, die Verhaftung zweier Tibeter wegen "separatistischer Aktivitäten" zugegeben. Dem Vize-Bürgermeister Dhargyal zufolge wurden der Student Dawa Tashi und das Mitglied der Chinese People's Political Consultative Conference (CPPCC) Yeshe Gyatso im Juni 2003 unter dem Verdacht von "separatistischen Straftaten" in Haft genommen. Der stellvertretende Bürgermeister sagte weiter, beide würden der "Spaltung des Mutterlandes, der Untergrabung der nationalen Einheit und der Verletzung der Verfassung" beschuldigt. Des weiteren erklärte er den Reportern, Dawa Tashi sei freigelassen worden, nachdem er seine Schuld eingestanden hätte.

Mit 3.000 eingeschriebenen tibetischen und chinesischen Studenten ist die Tibet Universität die größte Hochschule der TAR. Die Tibeter stellen mit ungefähr 2.000 Studenten die Mehrheit. Die Universität ist für politische Aktivitäten bekannt. 1988 veranstalteten die Studenten eine Demonstration für die Förderung der tibetischen Sprache. Der Student Lobsang Tenzin wurde am 5. März 1988 verhaftet, weil er an Aktivitäten für die Freiheit Tibets beteiligt war. Er ist gegenwärtig im Pawo Tramo Gefängnis inhaftiert, wo er eine 18-jährige Haftstrafe verbüßt. Die Studentin Ganglha wurde 1989 wegen ihrer Aktivitäten für die Freiheit Tibets zu drei Jahren Haft verurteilt.

Der 23 Jahre alte Dawa Tashi wurde im Distrikt Nagarste, Präfektur Lhoka, TAR, geboren. Er besuchte von 1988 bis 1991 die Grundschule seines Dorfes und von 1991 bis 1994 die staatliche Volksschule von Nagartse. Von 1994 bis 1997 war er Schüler der "Junior Secondary School". Im Jahr 2000 schloß er die Oberschule ab und war bis zu seinem Verweis Student der Tibetischen Fakultät an der Tibet Universität.

Bei den anderen genannten Studenten handelt es sich um: Pema Lodhen, 24, Distrikt Nagartse, Präfektur Lhoka, TAR, Student an der Wirtschaftsfakultät; Tashi Topjor, 24, Distrikt Chusum, Präfektur Lhoka, TAR, Biologiestudent; Choenyi Penpa, 24, Distrikt Nagartse, Präfektur Lhoka, Student der tibetischen Medizin; Tsering Ngodup, 23, Distrikt Lhodak, Präfektur Lhoka, TAR, Student der tibetischen Medizin.

Teil 2

China blockiert die US-Menschenrechtsresolution bei der 60. UNHRCR-Versammlung

Das TCHRD äußert hiermit seine Bestürzung über die Zurückweisung des Resolutionsentwurfs zur Menschenrechtslage in China, der vor kurzem der 60. Versammlung der UN-Menschenrechts-Kommission (UNHCHR) in Genf vorgelegt wurde.

Eine auf der 60. Versammlung des UNHCHR von den USA eingebrachte Resolutionsvorlage (E/CN.4/2004/L.37) wurde auf Grund eines chinesischen Nicht-Befassungsantrags verworfen. Dem Antrag zufolge mußten alle 53 Mitgliedsstaaten über die Zulassung der Resolution abstimmen. Die am 15. April um 18.00 Uhr durchgeführte Abstimmung über Chinas Nicht-Befassungsantrag ergab bei 3 Enthaltungen 28 Stimmen zugunsten des Antrags und 16 dagegen.

Von 1990 bis 2004 wurden den jährlich stattfindenden Versammlungen der UNHCHR insgesamt 11 Resolutionen vorgelegt, deren Verabschiedung durch chinesische Nicht-Befassungsanträge vereitelt wurde. Im Jahr 1995 führte die chinesische Strategie zuerst zu einer Blockierung des Gremiums, später wurde die Resolution mit einer Stimme Mehrheit abgewiesen. An der diesjährigen Abstimmung nahmen 53 Staaten teil, wobei es sich dem TCHRD zufolge bei 28 um neue Mitglieder handelte.

Das Abstimmungsmuster im vergangenen Jahrzehnt bezeugt die Unterstützung der Resolutionen durch Nordamerika und die europäischen Länder sowie durch einige wenige südostasiatische und afrikanische Staaten, während sich die Mehrzahl der lateinamerikanischen und karibischen Staaten neutral verhielt.

Der amerikanische Resolutionsentwurf, welcher der Kommission vorgelegt wurde, wiederholt die "Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gemäß der UN-Charta und der universellen Erklärung der Menschenrechte (UDHR)", wobei erauch einen "Wandel in der chinesischen Gesellschaft" feststellt. In der Resolution heißt es weiter, China habe während der letzten beiden Jahrzehnte zwar einige Schritte in Richtung Menschenrechte getan, dennoch bestehe Besorgnis wegen der "ständigen Berichte über gravierende Einschränkungen der Versammlungs-, Rede-, Gewissens- und Religionsfreiheit" sowie des Mangels an angemessenem Rechtsverfahren und Transparenz. Diejenigen, welche ihre Grundrechte ausübten, würden verhaftet und zu strengen Strafen verurteilt. Weiter wird China in der Resolution dazu aufgefordert, Besuche von UN-Delegationen zu gestatten und "zusätzliche Schritte zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Menschenrechte" zu unternehmen.

Nach Auffassung des TCHRD war 2003 für Tibet ein Jahr mit sehr schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, wie man aus der Hinrichtung von Lobsang Dhondup und dem immer noch aufrechterhaltenen Todesurteil gegen Tulku Tenzin Delek sowie der Verhaftung von 27 Tibetern, der Schließung einer Klosterschule und der im Namen der "Entwicklung" betriebenen Zwangsvertreibung von tibetischen Nomaden und Hirten aus ihren traditionellen Gebieten ersehen kann. Vom Planungsstadium bis zur Durchführung laufen die so sehr gepriesenen Entwicklungsprojekte in Tibet bar jeder tibetischer Beteiligung ab.

Viele Menschenrechtsorganisation, so etwa Amnesty International, Human Rights Watch, Tibet Information Network und International Campaign for Tibet, haben über die chinesischen Menschenrechtsverletzungen berichtet. Des weiteren haben mehrere Regierungsvertreter bei den Vereinten Nationen die chinesische Regierung dringend zur Einhaltung der internationalen Menschenrechtsverträge, zu denen sie sich durch ihre Unterschrift verpflichtet hat, aufgefordert.

Am 14. April 2004, einen Tag vor der Abstimmung über den Nicht-Befassungsantrag, veröffentlichten drei Untersuchungs-Experten der Kommission, der Sonderberichterstatter für das Recht auf Meinungs- und Redefreiheit, Ambeyi Ligabo, der für die Unabhängigkeit der Gerichte und Rechtsanwälte zuständige Leandro Despony sowie die Sonderberichterstatterin des Generalsekretärs für die Menschenrechte, Hina Jilani, eine Verlautbarung zu den Menschenrechten. Darin drückten sie ihre "tiefe Besorgnis" über die Lage von Tenzin Delek Rinpoche aus, der "jederzeit ab dem 3. Dezember 2004, an dem die Frist für die Aussetzung seines Todesurteils ausläuft, hingerichtet werden könnte". Des weiteren äußerten sich die Experten besorgt, weil "das Gerichtsverfahren offenbar schwere Mängel aufwies", und sie forderten die chinesischen Behörden dringend dazu auf, "ihm (Tenzin Delek) einen neuen Prozeß zu gewähren, bei dem die Einhaltung der internationalen Normen für ein faires Gerichtsverfahren gewährleistet ist".

Die kläglichen Abstimmungsergebnisse der China-Resolutionen spiegeln das Versagen der UN-Mitgliedsstaaten bei der prinzipientreuen Verteidigung der erklärten Ideale der grundlegenden Freiheiten und Menschenrechte, wie sie in der Universellen Erklärung der Menschenrechte niedergelegt sind, wieder. Obendrein sind sie ein Zeichen für den Erfolg der ausgefeilten und aggressiven Lobbytaktik der Chinesen und des von ihnen ausgeübten diplomatischen Drucks, der sich sowohl wirtschaftlicher als auch politischer Mittel bedient. Der zweite Faktor zeigt sich in der Unterstützung, die China sich in den letzten Jahren von afrikanischen und südostasiatischen Entwicklungsländern zu verschaffen wußte.

Das TCHRD verurteilt Chinas immer wiederkehrenden Griff zu den Nicht-Befassungsanträgen. China ist ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates und trotzdem hintertreibt es permanent die erklärten Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen. Diese Vorgehensweise stellt die Legitimität und die Effektivität der Vereinten Nationen und ihres Menschenrechtsausschusses in Frage. Das TCHRD ersucht die UN-Mitgliedsstaaten dringend, auf multinationaler Ebene ihre Besorgnis im Hinblick auf die Menschenrechte wirkungsvoll und unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen, um sicherzustellen, daß alle Mitgliedsstaaten die grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten, wie sie im internationalen und nationalen Recht verankert sind, achten. Zum Schluß ruft das TCHRD die chinesische Regierung zur Einstellung aller Menschenrechtsverletzungen in Tibet auf.

Teil 3

Portrait einer politischen Gefangenen: Elf Jahre Gefängnis für die resolute Nonne Jangchub Dolma

Die heute 29-jährige Jangchub Dolma kommt aus einer Nomadenfamilie des Kreises Damshung. Als Kind konnte sie nicht zur Schule gehen, da sie ihrer Familie bei den vielfältigen Tätigkeiten eines Nomaden-Haushalts helfen mußte. Später trat sie dann an dem Ort, wo ihre Familie sich niedergelassen hatte, in das Nonnenkloster Yangpachen Ghalo ein. Dort wurde sie auch zur Nonne ordiniert.

Am 20. Februar 1995 ging Jangchub Dolma zusammen mit einer anderen Nonne ihres Klosters, Rinchen Pema, ins Zentrum von Lhasa, um dort zu demonstrieren. Die beiden riefen laut Unabhängigkeits-Parolen und beteten für das lange Leben des Dalai Lama. Innerhalb weniger Minuten wurden sie vom Public Security Bureau verhaftet und mehrere Tage in einem Haftzentrum in Gewahrsam gehalten. In dieser Zeit wurden sie Opfer schwerer Mißhandlungen, die Vernehmungsbeamten quälten sie während der Verhöre erbarmungslos und fragten immer wieder, was ihre Motive für die Demonstration gewesen seien. Dann wurden die zwei Nonnen in das Gutsa Haftzentrum im Osten der Stadt Lhasa verlegt, das für seine unmenschlichen Verhörmethoden berüchtigt ist. Auch dort waren sie ständigen verbalen Attacken und physischen Mißhandlungen durch die Gefängniswärter ausgesetzt. Nach fünf Monaten in Gutsa sprach das Mittlere Volksgericht von Lhasa die beiden der "versuchten Spaltung des Mutterlandes" und der "Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda" schuldig. Jangchub Dolma wurde zu fünf Jahren und Rinchen Pema zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Am 29. Juli 1995 war Jangchub Dolma auch unter den 60 politischen Gefangenen, die in das berüchtigte Drapchi Gefängnis verlegt wurden.

Ebenfalls war sie bei dem Gefangenenprotest in Drapchi am 1. und 4. Mai 1998 dabei. Die Gefängnisleitung wollte am 1. Mai den internationalen Tag der Arbeit feiern. Ein Flaggenappell war geplant, bei dem die Gefangenen Loblieder auf den Sozialismus und die chinesische Nationalhymne singen sollten. Sie weigerten sich jedoch und riefen statt dessen nach Unabhängigkeit für Tibet. Erst nachdem sie die Häftlinge mehrere Stunden erbarmungslos hatte schlagen lassen, konnte die Gefängnisleitung die Lage unter Kontrolle bringen. Unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen sollte das Programm nun am 4. Mai, dem Internationalen Tag der Jugend, durchgeführt werden. Und wieder machten die Gefangenen nicht mit. Als die chinesische Flagge hochgezogen wurde, brach wieder ein Protest aus. Sogar die Häftlinge in den Einheiten, die im Gefängnis zurückbleiben mußten, schlossen sich an: Als sie die draußen versammelten Gefangenen hörten, fingen auch sie an, durch die Fenster und die Eisengitter ihrer Zellen zu rufen.

Jangchub Dolma wurde angeklagt, eine der Hauptschuldigen an diesen Ereignissen zu sein. Mehrere Monate lang wurde sie exzessiv geschlagen und in Einzelhaft gehalten, wodurch ihre Gesundheit schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Gefängnisleitung forderte, daß ihre Strafe um sechs Jahre verlängert werde, womit ihre gesamte Haftfrist nun 11 Jahre beträgt. Ihre Entlassung steht für 2006 an, falls ihre Strafe nicht weiter verlängert wird. Von 1987 bis zum heutigen Tag gab es unserer Kenntnis nach 47 Fälle politischer Gefangener in Drapchi, deren Strafmaß aus unterschiedlichen Gründen erhöht wurde.

Teil 4

Zeugnis eines ehemaligen politischen Gefangenen: Jigme Gyalpo erzählt

Jigme Gyalpo, 29, der sechs Jahre lang im Drapchi Gefängnis inhaftiert war, weil er Plakate mit der Forderung nach Freiheit für Tibet angebracht hatte, gelang die Flucht aus Tibet und im April 2004 erreichte er Nepal. Hier ist sein Bericht:

"Ich komme aus einer Bauernfamilie in der Gemeinde Tsashol, Kreis Meldrogungkar. Acht Jahre lang ging ich zur örtlichen Grundschule. Als ich älter wurde, ermutigte ich andere junge Leute, in der Liebe zu unserem Heimatland nicht nachzulassen und nebst anderen Fächern auch die tibetische Sprache zu lernen, damit sie sich für die Befreiung Tibets engagieren könnten. Am 20. April 1995 klebten ich und mein Freund Bukhog Plakate mit dem Ruf nach Freiheit für Tibet an die Tore der Gemeinde Tsashol. Ebenso klebten wir tibetische Nationalflaggen am Tor von Verwaltungsgebäuden an. Polizisten des Distrikt-PSB verhafteten uns beide und brachten uns in das PSB-Haftzentrum des Kreises Meldrogunkar. Eineinhalb Monate lang wurden Bukhog und ich mit langwierigen Verhören unter Folter gequält. Die Folterer schütteten uns kochendes Wasser ins Gesicht und schlugen uns heftig mit elektrischen Viehstöcken, während sie uns die Hände auf dem Rücken gefesselt hatten. Das Mittlere Volksgericht von Lhasa verurteilte uns beide zu sechs Jahren, und zur Verbüßung der Strafe wurden wir nach Drapchi gebracht.

Am 19. April 2001 wurde ich entlassen, in der Folgezeit hielt ich mich abwechselnd in Lhasa und in Meldrogungkar auf, um kleinen Geschäften nachzugehen. Am 3. April 2004 floh ich aus Tibet und konnte unversehrt das "Tibetan Refugee Reception Centre in Kathmandu" erreichen.

Teil 5

Mönche benötigen eine Erlaubnis zum Meditieren

Jigme Namgyal, 37, wurde in dem Dorf Sarshar, Kreis Sershul, geboren. Im Kindesalter wurde er Mönch in dem Amdo Phuntsokling Kloster. Als er 29 Jahre alt war, ging er in das Lhoka Samye Drakmar Kloster, um sich dort in der Meditation zu üben. Doch die im Kloster stationierten chinesischen Kader versagten ihm das Meditieren mit der Begründung, er brauche ein spezielles Erlaubnispapier, um meditieren zu dürfen. Jigme ging also zu dem Amt für religiöse Angelegenheiten des betreffenden Kreises, um die Erlaubnis zum Meditieren einzuholen; nach achtmaliger Vorsprache gab die Behörde ihm schließlich die Erlaubnis, drei Monate lang zu meditieren. Die meisten Mönche, die sich zur Meditation zurückziehen möchten, erhalten allerhöchstens die Erlaubnis für ein Jahr, wobei sie noch eine Grundsteuer von 25 Yuan pro Jahr entrichten müssen. Nachdem seine dreimonatige Erlaubnis abgelaufen war, setzte Jigme trotzdem seine Meditationen noch drei Jahre fort. 1998 kamen jedoch chinesische Arbeitsteams in sein Kloster und in das in der Nähe gelegene Nonnenkloster, um die "patriotische Umerziehung" durchzuführen.

Die Mönche mußten Erklärungen unterschreiben, daß sie sich vom Dalai Lama distanzieren und alle "separatistischen Aktivitäten" verurteilen. Die Mönche leisteten ihre Unterschrift jedoch nicht, wodurch sie sich den Zorn der Arbeitsteam-Kader zuzogen, die damit drohten, das Kloster zu zerstören. Die älteren Mönche, die mit der Verwaltung des Klosters betraut waren, fürchteten, daß die chinesischen Kader mit ihrer Drohung tatsächlich Ernst machen könnten. Um das Kloster vor der Zerstörung zu bewahren, wiesen sie alle Mönche an, zur Wahrung des Scheins zu unterschreiben; danach wurde das Dokument den Behörden vorgelegt.

Die Anzahl der Mönche wird wegen der strengen Auflagen und der politischen Indoktrinierung von Jahr zu Jahr geringer. "Ich mache mir große Sorgen, daß das Samye Drakmar Kloster in naher Zukunft ganz aufhören wird zu existieren, weil es dort keine religiöse Freiheit gibt", fügte Jigme Namgyal hinzu.

Teil 6

Das TCHRD gedenkt des 15. Geburtstags des XI Panchen Lama

Gedhun Choekyi Nyima, der 11. Panchen Lama Tibets, wurde am 25. April 2004 fünfzehn Jahre alt. Es ist dies nun sein neuntes Jahres in chinesischem Gewahrsam an unbekanntem Ort, nachdem er und seine Eltern 1995 verschleppt wurden.

Am 14. Mai 1995 verkündete Seine Heiligkeit der Dalai Lama, daß Gedhun Choekyi Nyima die Wiedergeburt des 10. Panchen Lama sei. Die Regierung der PRC erklärte diese Ankündigung für ungültig und gesetzwidrig. Drei Tage später verschwanden der sechs Jahre alte Knabe und seine Eltern und wurden seitdem nicht mehr gesehen.

Ein paar Monate nach seiner Entführung ernannte die Regierung der PRC ihren eigenen Panchen Lama, einen Jungen namens Gyaltsen Norbu. Ein Jahr später, im Mai 1996, gab die PRC zu, daß sie Gedhun Choekyi Nyima "auf Bitten seiner Eltern" in Gewahrsam halte, denn "er laufe Gefahr von Separatisten entführt zu werden und seine Sicherheit sei bedroht". Es mutet seltsam an, daß die chinesischen Behörden für ein Kind, das sie als einen gewöhnlichen Jungen betrachten, derartige Sicherheitsvorkehrungen ergreifen.

In den folgenden Jahren verfügte die PRC, daß nur der von China ernannte Panchen Lama in Tibet verehrt werden dürfe; Mönche, Nonnen und Laien wurden angewiesen, Gedhun Choekyi Nyima zu denunzieren. Es gab viele Festnahmen, Inhaftierungen, Verurteilungen und Ausweisungen aus religiösen Institutionen von Mönchen und Nonnen, die sich von dem echten Panchen Lama nicht abwenden wollten. Flüchtlinge aus Tibet und westliche Touristen berichten, daß Bilder des von China auserkorenen Panchen Lama in den Hauptklöstern und Touristenhotels in Tibet an sichtbarer Stelle aufgehängt seien. Dagegen sind Bilder Seiner Heiligkeit des Dalai Lama und von Gedhun Choekyi Nyima in den meisten Teilen Tibets verboten.

Viele UN-Vertreter und Regierungsdelegationen aus der ganzen Welt brachten ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck, daß der Panchen Lama in Gewahrsam gehalten werde und riefen die chinesische Regierung auf, einer unabhängigen Person, die sowohl für sie als auch die Tibeter akzeptabel ist, Zugang zu dem Knaben zu gewähren, um sich seiner Gesundheit und seiner Lebensumstände zu vergewissern. Die PRC bleibt jedoch hart und verweigert weiterhin jeden Besuch Außenstehender bei dem Knaben oder seinen Eltern.

Im Oktober 2000 wurde einer britischen Delegation von den Chinesen erklärt, dem Jungen gehe es gut und er besuche eine Schule. Sie sagten, seine Eltern wünschten nicht, daß internationale Medien und fremde Personen in sein Leben eindrängen. Zwei Photos, auf denen ein Junge von annähernd demselben Alter, der angeblich der Panchen Lama sein sollte, zu sehen war, wurden der britischen Delegation gezeigt. Es war ihr jedoch unmöglich, die Identität des Jungen festzustellen oder den Ort, wo er sich befand, auszumachen, und die Briten durften die Bilder auch nicht mitnehmen.

Im August 2001 wurde einer polnischen Parlamentarierdelegation, die Lhasa besuchte, als Antwort auf ihre wiederholten Fragen erklärt, Gedhun Choekyi Nyima sei bei guter Gesundheit. Der Delegation wurden innerhalb von sechs Wochen Bilder versprochen, aber diese trafen nie ein. Später wurde der polnischen Regierung von der chinesischen Botschaft in Warschau brieflich mitgeteilt, Gedhun Choekyi Nyima und seine Eltern wünschten nicht, daß ihr friedliches Leben von Fremden gestört werde, außerdem respektiere die chinesische Regierung "die freie Entscheidung ihrer Bürger und hoffe, das polnische Volk würde dies verstehen".

Im März 2002 traf eine offizielle Delegation aus der TAR mit einer Delegation des Europäischen Parlaments zusammen. Die TAR-Delegation erklärte einmal mehr, Gedhun Choekyi Nyima wünsche nicht gestört zu werden. Ebensowenig beantwortete sie die Fragen wegen der Photos, die der polnischen Delegation versprochen worden waren. Angesichts der Weigerung, Photos zu liefern, auf denen Gedhun Choeyki Nyima eindeutig zu identifizieren ist, oder einer unabhängigen Person Zugang zu ihm und seiner Familie zu gewähren, muß das tibetische Volk das Schlimmste befürchten.

Die Verschleppung des zweithöchsten Würdenträgers in der tibetischen geistlichen Hierarchie widerspricht total Chinas Behauptung, in Tibet würde die Freiheit der Religion respektiert. Es gibt wirklich Anlaß zu großer Sorge, daß eine so prominente religiöse Gestalt, selbst wenn sie am Leben sein sollte, der Möglichkeit zu traditionellem religiösem Studium und zur geistlichen Ausbildung beraubt wird.

Die chinesischen Behörden haben religiöse Persönlichkeiten in Tibet schon immer verfolgt, weil sie meinen, in gewissen Regionen würde der Buddhismus die politische Instabilität fördern. Tulku Tenzin Delek, ein angesehener religiöser Würdenträger aus Sichuan, sitzt mit einem Todesurteil im Gefängnis - doch eher wegen seines sozialen und religiösen Engagements als wegen seiner vermeintlichen politischen Aktivitäten. Geshe Sonam Phuntsok, eine weitere prominente religiöse Gestalt, verbüßt fünf Jahre wegen ihrer Loyalitätsbezeugung für den Dalai Lama.

Das TCHRD ist entsetzt, daß die chinesische Regierung einen 15-jährigen Knaben immer noch festhält. Es forderte die PRC auf, einer unabhängigen Person zu gestatten, Gedhun Choekyi Nyima zu besuchen und sich seiner Gesundheit und Lebensumstände zu vergewissern. Es bittet die internationale Gemeinschaft, den Umgang Chinas mit den Menschenrechten allgemein strenger zu beurteilen und Druck auf die chinesische Regierung auszuüben, den jungen Panchen Lama freizulassen und ihm Zugang zu einem angemessenen religiösen Studium und der traditionellen Ausbildung zu gewähren. Es appelliert an die UN und ihre verschiedenen einschlägigen Gremien, in dieser Sache zu intervenieren und mit ihrem Druck auf die Chinesen nicht nachzulassen, um den jungen Panchen Lama freizubekommen.

Teil 7

Chinesische Behörden verschärfen die Internet-Überwachung

Die chinesischen Behörden haben ein neues Internet-Überwachungssystem eingeführt, demzufolge Anwender in Lhasa eine individuelle Registrierungsnummer und ein damit verbundenes Paßwort benötigen, um Zugriff auf das Internet zu haben, wie von International Campaign for Tibet am 30. April berichtet wird.

Diese bisher noch nicht gesehene Überwachungsmaßnahme gestattet den Behörden, den E-mail Verkehr eines jeden Nutzers mit der Außenwelt, sowie die von ihm besuchten Websites leicht zu verfolgen. Das Hauptgebäude des Büros für Öffentliche Information und Internetsicherheit des PSB Lhasa befindet sich in der Duodi South Avenue, gegenüber der Abteilung für Kulturschätze der Präfektur Lhasa. Das ist auch der Ort, wo Tibeter verhört werden, die man des Besuchs verbotener Websites oder des Erhalts von politisch brisanten E-Mails verdächtigt.

Dem neuen System zufolgen müssen die EDV-kundigen Bürger Lhasas in einem Cyber-Café eine "Internet Browsing Registration Card" erwerben und ein Formular ausfüllen, wobei sie die Daten ihres Passes oder ihres Bürgerausweises (chin: shen fen zheng) angeben müssen, ehe sie im Word Wide Web surfen können. Die Karten werden den Cyber-Cafés von der Internet-Sicherheits-Behörde bereitgestellt.

Früher installierten Beamte des Public Security Bureau Überwachungs-Software in den Cyber-Cafés und kamen regelmäßig in diesen vorbei, um nachzuschauen, welche Websites besucht wurden, aber auf diese Weise konnten sie die Personen, welche von der Regierung als unerwünscht eingestuften Sites besucht hatten, nicht direkt ermitteln. Mit dem neuen System kann auch der geringste Informationsaustausch auf die jeweilige Person zurückgeführt werden.

Die chinesischen Behörden benutzen schon lange engmaschige Filtersysteme, um Nachrichten, die kritische politische Begriffe wie Menschenrechte, Dalai Lama, Tibet, Taiwan, Falun Gong oder den 4. Juni enthalten, herauszufinden und zu blockieren. Eine von der Harvard Law School für den Zeitraum Mai 2002 bis November 2002 betriebene Studie ergab, daß die chinesische Regierung es den Nutzern unmöglich gemacht hatte, bestimmte Sites sowohl pornographischen als auch nichtpornographischen Inhalts zu besuchen. Tausende von Websites, darunter auch die beliebte Google-Suchmaschine waren blockiert, ebenso wie die politisch heiklen Seiten, die vom tibetischen Freiheitskampf handeln.

Am 21. April berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua über den Erwerb von "zur umfassenden Langzeitüberwachung geeigneter" Software im Wert von annähernd 1 Million US$, mittels derer die illegalen Aktivitäten in den Internet-Cafés unterbunden werden können.