Human Rights Update

März 2003

Inhalt
  1. 428 tibetische Flüchtige im vergangenen Jahr vom chinesischen Grenzschutz verhaftet
  2. Drei Tibeter aus dem Gefängnis in Nepal freigekauft
  3. Yangmo Tso: Eine Geschichte voller Leid
  4. Ngawang Sangdrol erreicht die USA
  5. Wegen Unabhängigkeitspostern ins Exil geflüchtet
  6. Flucht, um der drohenden Verhaftung wegen Plakatierens zu entgegen
  7. Gefangenenportrait: Lange Haftstrafen wegen Zerstörung eines Gebäudeschildes

Teil 1

428 tibetische Flüchtige im vergangenen Jahr vom chinesischen Grenzschutz verhaftet

Wie von ChinaTibetnews.com zu erfahren ist, hielt das chinesische Grenzsicherungspersonal am 19. Februar 2003 sein jährliches Meeting ab. Dabei wurde die Arbeit des Jahres 2002 gewürdigt und die neuen Strategien für 2003 formuliert.

"Unter der Führung der Partei und der Verwaltung der Autonomen Region Tibet (TAR) leistete das Grenzsicherungspersonal 2002 harte Arbeit, es erzielte enorme Fortschritte bei seinen Leistungen und erhöhte seine Wirksamkeit beträchtlich. Es verfuhr streng mit Personen, die illegal die Grenze zu überschreiten versuchten und ging hart gegen Separatisten vor. Die Grenze ist nun sicher und die illegale Überquerung wird unterbunden. 2002 nahmen die Grenzpatrouillen 428 Tibeter und 5 Schleuser fest, außerdem stellten sie 83 gefährliche reaktionäre Schriften bei Separatisten sicher."

Das TCHRD macht sich große Sorgen um die vielen Tibeter, die von den Grenzschutzeinheiten festgenommen wurden. Tibetische Flüchtlinge, die an der Grenze aufgegriffen werden, verschwinden meistens in irgendwelchen Haftanstalten, ohne daß ihr Fall überhaupt bekannt wird.

Flüchtlinge aus Tibet können grob in folgende Kategorien eingeteilt werden: Kinder, die eine tibetische Schulbildung im Exil anstreben, Mönche und Nonnen, die der Indoktrinierung in ihren Institutionen entgehen wollen, Personen, die in der Vergangenheit politisch aktiv waren oder die eine Audienz beim Dalai Lama wünschen und schließlich ein paar ehemalige tibetische Kader, die in der Verwaltung arbeiteten.

2002 erreichten insgesamt 1.378 Tibeter das Tibetan Refugee Centre in Indien, darunter 715 Kinder. Jugendliche unter 18 Jahren machen jedes Jahr über die Hälfte der Flüchtigen aus. Angesichts dieser Tatsache ist das TCHRD äußerst besorgt um die Minderjährigen, die von den Grenzpatrouillen festgenommen wurden. Kinder, welche den gefährlichen Treck über den Himalaya überstehen, werden hauptsächlich in Exilschulen aufgenommen, wo sie eine breit gefächerte Bildung erhalten. Eltern schicken oftmals ihre Kinder mit fremden Personen nach Indien oder indem sie guides (Schleuser) anheuern. Viele der Kinder, die mit großen Hoffnungen auf den Weg geschickt werden, landen jedoch in chinesischen Haftzentren oder im Gefängnis in Nepal.

Teil 2

Drei Tibeter aus dem Gefängnis in Nepal freigekauft

Drei tibetische Häftlinge, Samdup, 15, Tashi, 30, und Yangmo Tso, 15, wurden am 27. Februar aus dem Gefängnis in Nepal entlassen. Die drei, die aus dem Distrikt Labrang der TAP Ganan, Provinz Gansu, stammen, wurden am 13. Dezember 2002 auf ihrem Weg nach Indien in Boudanath, Kathmandu, verhaftet. Wegen fehlender Reisedokumente wurden sie am 17. Dezember zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Sie kamen frei, nachdem Tibet-Unterstützer das exorbitante Lösegeld von NC 29.000 (etwa 415 $) pro Person für sie bezahlten. Obwohl das TCHRD diese großzügige Geste der Sympathisanten begrüßt, rät es grundsätzlich von einer solchen Handlungsweise ab, denn es befürchtet, daß damit ein Trend in Gang gesetzt werden könnte, der unter dem Vorwand ähnlicher Beschuldigungen zur Festnahme weiterer Flüchtlinge führen könnte.

Mit der Entlassung dieser drei Personen hat sich die Zahl der Tibeter in nepalesischen Gefängnissen von 13 auf 10 verringert. Wegen fehlender Dokumente verbüßen sie Haftstrafen von 10 Jahren. Fünf davon sind Studenten in den Zwanzigern. Sie wurden alle am 22. August 2001 festgenommen, als sie auf dem Weg zu ihren Angehörigen nach Tibet waren. Wenn sie ihre Strafen schließlich verbüßt haben, werden sie zehn der besten Jahre ihres Lebens im Gefängnis gesessen haben.

Teil 3

Yangmo Tso: Eine Geschichte voller Leid

Nach ihrer Freilassung berichtete die 15-jährige Yangmo Tso dem TCHRD: "Der Hauptgrund, warum ich Tibet verließ, ist daß ich in Indien in die Schule gehen will. Ich habe in Tibet überhaupt keine Schulbildung erhalten. Ich wurde in dem Dorf Ngoka, Distrikt Labrang, Provinz Gansu, geboren. Meine Eltern waren arme Bauern. Als ich 4 war, starb meine Mutter und hinterließ meinen Vater, meinen Onkel und meinen jüngeren Bruder. Weil diese nicht in der Lage waren, mich aufzuziehen, wurde ich von einer Nomadenfamilie adoptiert, bei der ich wohnte, bis sie selbst drei Kinder bekam. Weil das Geld für mich nicht reichte, rieten meine Nähreltern mir, zu meinen Angehörigen zurückzukehren. Aber das war gar nicht möglich, weil ich vergessen hatte, wer diese eigentlich sind.

Einige Leute im Dorf erbarmten sich meiner und gaben mir etwas Geld, aber ich wollte nicht in mein Dorf zurückkehren. Ein Geschäftsmann versprach mir nun, daß er mir zur Flucht verhelfen würde. Aus geschäftlichen Gründen mußte er oft zur tibetisch-nepalesischen Grenze nach Dram fahren. Bei einer solchen Gelegenheit nahm er mich mit und versteckte mich hinten in seinem Lastwagen.

In Dram wurde ich zwei anderen Tibetern aus meiner Heimatgegend vorgestellt, die meine Fluchtgefährten werden sollten. Einer war gleichaltrig mit mir, der andere etwa 30. Wir zahlten je1.000 Yuan für einen guide, der uns über die Grenze bringen sollte. Auf halbem Wege übergab uns dieser guide jedoch einem anderen Mann und erklärte uns, daß dieser uns von nun an führen werde.

Dieser Mensch brachte uns jedoch in ein Haus, das er von außen abschloß. Nun verlangte er Geld von uns, aber wir sagten ihm, daß wir nichts mehr übrig hätten. Dann sagte er, wenn wir frei gelassen werden wollten, müsse einer von uns mit ihm zu dem Tibetan Refugee Centre gehen und dort um Geld bitten. Aus Angst unterwegs umgebracht zu werden, war niemand von uns zu einem solchen Schritt bereit. Mehrere Tage lang waren wir in dem Haus eingesperrt, bis eine Frau uns zur Flucht verhalf.

Wir rannten ohne Halt, bis wir weit genug weg waren und uns sicher fühlten. Unsere Freiheit währte jedoch nicht lange. Als wir Kathmandu erreichten, wurden wir am 13. Dezember von der nepalesischen Polizei festgenommen.

Über zwei Monate im Gefängnis

Als die Nepalesen uns zuerst verhafteten, stand ich Todesängste aus. Sie schlossen mich ganz alleine in ein Zimmer ein. Später wurde ich in ein anderes viel größeres Gefängnis gebracht und zu 10 anderen Frauen in eine Zelle gesteckt. Ich war die jüngste, die anderen waren alle ältere Frauen, einige mit ganz weißen Haaren. Ich hatte schreckliche Angst im Gefängnis. Wenn ich weinte, trösteten mich Mitgefangene zuweilen. Dann rissen sie mir aber wieder die Lebensmittel weg, die mir in Kathmandu lebende Tibeter gebracht hatten.

Wir bekamen nur zwei Mahlzeiten am Tag, weshalb ich die meiste Zeit sehr hungrig war. Das Gefängnis lieferte nur eine dünne Strohmatratze, aber keine Decken, und die Nächte waren abscheulich kalt. Diese Qual ging die nächsten drei Monate so weiter, bis das Tibetan Reception Centre in Kathmandu mich freikaufte. Ich bin sehr erleichtert, von diesem grausigen Ort weg zu sein.

Nach meiner Freilassung schickte das Tibetan Reception Centre mich nach Indien, und am 1. April 2003 erreichte ich Dharamsala. Ich habe niemanden in Indien. Obwohl ich unterwegs Entsetzliches durchmachte, bin ich nun sehr glücklich, daß ich hier im Exil sein kann und freue mich darauf, bald zur Schule gehen zu können."

Teil 4

Ngawang Sangdrol erreicht die USA

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie freut sich, daß Ngawang Sangdrol in den USA eingetroffen ist, um sich dort in medizinische Behandlung zu begeben. Das Zentrum würdigt die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zugunsten Ngawang Sangdrols, insbesondere der Dui-Hua-Stiftung, deren Beitrag entscheidend für ihre Entlassung am 17. Oktober 2002 und ihren jetzigen Besuch in den USA war.

Das TCHRD setzte sich ebenfalls kontinuierlich für die Entlassung Sangdrols aus dem Drapchi Gefängnis ein, wozu auch gehört, daß es sie von 1995-1993 - also neun aufeinander folgende Jahre - als würdige Kandidatin für den Reebok-Menschenrechtspreis vorschlug. Außerdem bemühte sich das Zentrum sofort nach ihrer Entlassung intensiv darum, ihr die Möglichkeit zu verschaffen, Tibet aus medizinischen Gründen zu verlassen. Nachdem das TCHRD die Bestätigung erhalten hatte, daß sie sehr krank ist, startete es am Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember 2000, eine Unterschriftenkampagne zu ihren Gunsten.

"Sangdrol stellt im Kampf der Tibeter um Menschenrechte und Gerechtigkeit eine außerordentliche Persönlichkeit dar. Der Mut und die Furchtlosigkeit, mit welchen sie ihrer Meinung über das Unterdrückungsregime der chinesischen Regierung Ausdruck verlieh, brachten ihr abgesehen von Einzelhaft, Schlägen und Folterung mehrere Strafverlängerungen ein", kommentierte die Leiterin des TCHRD, Tsewang Lhadon.

Sangdrol wurde erstmals 1987 im Alter von nur zehn Jahren 15 Tage lang eingesperrt, weil sie an einer friedlichen Demonstration teilgenommen hatte. 1990, als sie noch für zu jung erachtet wurde, um vor Gericht gestellt zu werden, wurde sie dennoch neun Monate lang in Haft gehalten. Im Juni 1992 wurde Sangdrol zu drei Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis wurden Sangdrol und 13 ihrer Leidensgefährtinnen erwischt, nachdem sie auf einem hereingeschmuggelten Cassetten-Recorder Lieder und Botschaften aufgenommen hatten. Dafür wurden ihr noch einmal sechs Jahre Haft aufgebrummt. Im Juli 1996 wurde Sangdrol mit weiteren acht Jahren bestraft, weil sie dem Befehl der Gefängnisleitung getrotzt und Freiheits-Parolen gerufen hatte. Ihre letzte Strafverlängerung um vier Jahre erfolgte im Mai 1998, weil sie bei dem Gefängnisprotest in Drapchi, der zu der gleichen Zeit wie der Besuch einer EU-Troika stattfand, mitgemacht hatte. Ihre Gesamtstrafe belief sich somit auf 21 Jahre, und sie wäre, wenn sie nicht aus medizinischen Gründen im Oktober 2002 freigekommen wäre, erst im Jahr 2013 entlassen worden.

"Das TCHRD behält seine Position in bezug auf Chinas Diplomatie und seine Geisel-Taktik bei. Es ist nicht ungewöhnlich, daß Peking bemerkenswerte politische Gefangene im Vorfeld zu Besuchen wichtiger Delegationen oder der UN Menschenrechtskommission (UNCHR) entläßt", fuhr Lhadon fort. "Das TCHRD bleibt skeptisch und warnt die internationale Gemeinschaft, sie möge sich von solchen - zu ihrem eigenen Nutzen wohl kalkulierten - Gesten der chinesischen Regierung nicht in die Irre leiten lassen, besonders jetzt, wo es bei der 59. Menschenrechtskommission wegen der verabscheuungswürdigen Hinrichtung Lobsang Dhondups um eine Resolution gegen China geht". Lobsangs summarische und willkürliche Exekution am 26. Januar 2003 unter falschen Anklagen und nach einem unfairen Gerichtsverfahren ist noch in frischer Erinnerung.

Teil 5

Wegen Unabhängigkeitspostern ins Exil geflüchtet

Seit der im Exil lebende Kirti Rinpoche aus dem KlosterTaktsang Lhamo Kirti im Kreis Dzoge, TAP Ngaba (chin. Aba), Kalon (Minister) für das Ressort Religion und Kultur der tibetischen Regierung-im-Exil wurde* und beständig seine Stimme für Tibet erhebt, ist dieses Kloster ein Objekt besonderer Überwachung durch die chinesischen Behörden geworden. Im Rahmen der Kampagne "Liebet eure Nation, liebet eure Religion" wird es ständig von chinesischen Arbeitsteams heimgesucht. Bilder des Dalai Lama und des Kirti Rinpoche sind verboten, und die Klosterschule wurde von den Behörden übernommen. Die Mönchsschüler müssen jetzt Laienkleidung tragen, Chinesisch ist das Hauptfach geworden und die tibetischen Lehrer wurden durch chinesische ersetzt. Auch wurden wiedergeborene Lamas (Tulkus), die entweder vom Dalai Lama oder vom Kirti Rinpoche anerkannt worden waren, ihrer Titel entkleidet und dürfen keine religiösen Studien mehr betreiben.

Seitdem Plakate "abweichlerischen" Inhalts in der Nähe des Klosters auftauchten, überwachen die Behörden verstärkt die Aktivitäten dieser Gemeinschaft. 1999 wurde zu Kontrollzwecken auf dem Gelände des Klosters ein besonderes Gebäude errichtet, das als "Regierungsbüro" bezeichnet wurde. Immer mehr chinesische Kader kamen, und es wurden sogar noch weitere Büros in dem Kloster eingerichtet. Sie griffen immer strenger ein und kontrollieren nun sogar das Privatleben der Mönche.

Aus Verbitterung zerbrachen die zwei Mönche Tsultrim Gyatso und Jigme Dhargyal in der Nacht des 6. Juni 2000 das Büroschild und zerstreuten dessen Bruchstücke. Ein Stück warfen sie in den Fluß und ein anderes ließen sie an der Hauptstraße liegen. Statt des Schildes klebten sie ein Plakat an mit der Aufschrift "Dies ist ein Protest gegen die Besetzung unseres Landes – sie widerspricht den Richtlinien der kommunistischen Partei und der Verfassung Chinas". Die Behörden sahen den Vorfall als ein sehr ernstes politisches Delikt und machten sofort Aufnahmen von den Bruchstücken und riefen alle Mönche zu einem Meeting ein, aber sie konnten die Urheber der Tat nicht sogleich ermitteln. Daraufhin durchwühlten sie die Wohlräume der Mönche.

Am 28. März 2001 trafen PSB Polizisten auf 5 Lastwagen im Kloster ein und photographierten alle Mönche ungeachtet ihres Alters. Sie zwangen sie, ihre biographischen Daten sowie die Worte "Partei" und "Nation" niederzuschreiben. Auf diese Weise wollten sie die Handschrift der Plakatschreiber identifizieren. Tsultrim und Jigme wurden als Verdächtige ermittelt. Als sie gewahr wurden, daß ihnen die Verhaftung drohte, verließen sie am 31. März 2001 das Kloster und gingen heimlich nach Lhasa. Fünf PSB Beamte des Kreises Dzoge flogen sogleich nach Lhasa, um nach ihnen zu fahnden. Das PSB von Dzoge setzte sich mit dem PSB Lhasa und dem von Dram in Verbindung. Photos von Tsultrim und Jigme wurden in allen Büros und Unterkünften ausgehängt und eine gründliche Fahndung wurde eingeleitet. Als Tsultrim und Jigme hörten, daß die Polizei ihnen auf den Fersen ist, gingen sie nach Kreis Meldrogungkar, wo sie sich als Hausdiener verdingten und sich 9 Monate lang versteckten. Dann entwichen sie wieder nach Osttibet und tauchten etwa 10 Monate in Qinghai unter.

Am 12. Dezember 2002 gelang Tsultrim und Jigme schließlich die Flucht aus Tibet über Lhasa und Dram, und am 9. Januar 2003 erreichten sie das Tibetan Reception Centre in Nepal. An dem Büro im Kloster Kirti wurde indessen ein neues Schild mit der Aufschrift "Tourismus-Büro Lhamo des Kreises Dzoge" angebracht.

*Kirti Rinpoche war im 11. Kashag bis 1999 Kalon der Exilregierung.

Teil 6

Flucht, um der drohenden Verhaftung wegen Plakatierens zu entgegen

Jangchub Gyatso wurde am 15. März 1976 in der Nomadengegend Sharuwa in Kreis Ngaba, TAP Ngaba, Provinz Sichuan, geboren. 1986 trat er in das Kloster Shagon Mipham Jamling ein. Jangchub berichtet dem TCHRD über seine Erlebnisse im besetzten Tibet:

"Obwohl ich nicht besonders gebildet bin, weiß ich, daß die Tibeter unter der chinesischen Besatzung sehr leiden. Während des tibetischen Neujahrfestes 1997 brachte ich in meinem Dorf Poster an, auf denen ich die Unabhängigkeit für Tibet forderte. Die chinesische Polizei erfuhr von meinem Tun und vernahm mich sowohl "friedlich als auch gewaltsam". Meine Angehörigen schmierten die Beamten und erreichten meine Freilassung unter der Bedingung, daß sie mich jeder Zeit in ihr Büro einbestellen können.

Am 4. Juni 1998 begannen die chinesischen Arbeitsteams mit der Durchführung der Kampagne "Liebet eure Nation, liebet eure Religion" in dem Ngaba Kirti Kloster. Da ich es nicht mehr mit ansehen konnte, wie meine Landsleute und die tibetische Kultur vernichtet werden, überlegte ich, wie ich mein Mißfallen an der Kampagne zum Ausdruck bringen könnte. Von der Nacht des 7. Juni an klebte ich daher Wandzettel in der Nähe des Klosters an, auf denen "Befreit den Panchen Lama", "Laßt den Dalai Lama nach Tibet zurückkehren" und "Unabhängigkeit für Tibet" stand.

In der Nacht des 10. Juni malte ich in mehreren Straßen des Kreises Ngaba und an der Kreuzung zum Kloster Kirti mit großen roten Buchstaben "Free Tibet" auf die Mauern. Danach hörte ich, daß die Distriktpolizei von Ngaba nach mir fahndete, weshalb ich beschloß, aus Tibet zu fliehen, obwohl das ursprünglich nicht mein Wunsch war. Wenn ich geblieben wäre, hätten sie mich verhaftet. Am 18. Juli 1998 entkam ich über die nepalesisch-tibetische Grenze in Dram und floh nach Indien. Am 7. August 1998 erreichte ich Dharamsala."

Im Exil trat Jangchub in das in Indien neu errichtete Kirti Kloster ein, wo er seitdem wohnt.

Teil 7

Gefangenenportrait: Lange Haftstrafen wegen Zerstörung eines Gebäudeschildes

Bhuchung, 30, stammt aus einer Bauernfamilie des Dorfes Dongtsa, Kreis Pashoe, Präfektur Chamdo, TAR. Seine Eltern hatten 7 Söhne und 2 Töchter, von denen er der Mittlere ist. Als Kind ging er zwei Jahre lang zur Schule. Als er 17 war, trat er in das örtliche Kloster Shudu ein, das auch Dongtsa genannt wird. Mit nur 13 Mönchen war es ein ziemlich kleines Kloster. Bhuchung wurde zum Kustos (tib. gnyerpa) ernannt, und mußte im Zusammenhang mit seiner Arbeit verschiedene Orte bereisen.

Eines Nachts im August 1995 ging er insgeheim zusammen mit Choesang und Tsephel zum Regierungsgebäude der nahegelegenen Gemeinde Rawu (chin. Xiang). Bhuchung und Tsephel rissen das Gebäudeschild herunter, während Choesang mit Steinen in der Hand Wache stand. Anstelle des Schildes klebten sie Plakate an, die nach Unabhängigkeit für Tibet und den Abzug der Chinesen aus Tibet verlangten. Sie beeilten sich dabei sehr und auf dem Rückweg zum Kloster vernichteten sie das Schild.

Als die Beamten der Gemeindeverwaltung am nächsten Morgen sahen, daß das Gebäudeschild fehlte und statt dessen politische Parolen dort hingen, berichteten sie den Vorfall sofort dem Büro für öffentliche Sicherheit (PSB) des Kreises Pashoe. Der Verdacht fiel gleich aufs Kloster und fünf PSB Kader begaben sich zusammen mit den Beamten der Gemeinde dorthin. Da es sich um ein relativ kleines Kloster handelte, war die Untersuchung einfach. Sie verhörten eingehend alle Mönche, um die für den Vorfall Verantwortlichen herauszufinden. Die drei wurden zu dem PSB Haftzentrum von Pashoe gebracht und die nächsten drei Monate dort eingesperrt. Später wurden sie in das PSB Haftzentrum der Präfektur Chamdo verlegt.

Das Mittlere Volksgericht der Präfektur Chamdo befand die Mönche für schuldig und verurteilte sie. Die Anklage hatte auf "konterrevolutionäre Aktivitäten und Aufhetzung zu konterrevolutionärer Propaganda" gelautet. Choesang und Tsephel wurden zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt, während Bhuchung als der Initiator der Tat 15 Jahre bekam. Im März/April 1996 wurden die drei nach Drapchi, dem Gefängnis No. 1 der TAR, verlegt. Bhuchung, Choesang und Tsephel waren auch bei dem Gefängnisprotest vom 1. und 4. Mai 1998 dabei (siehe: http://www.igfm-muenchen.de/tibet/reports/Drapchi.html), auf den hin die Insassen schwer mißhandelt und grausam gefoltert wurden.

Wegen der wiederholten Peitschenhiebe war Buchungs Körper damals ganz schwarzblau geworden. Choesang und Tsephel hatten ähnliche Mißhandlungen zu erdulden. Der Protest hatte ein Nachspiel, infolgedessen acht Personen aufgrund der exzessiven Schläge und Folterungen starben, während 27 andere mit Urteilsverlängerungen bestraft wurden. Tsephel bekam zu seinen ursprünglichen vierzehn weitere zweieinhalb Jahre aufgebrummt. Alle drei sind immer noch im Drapchi Gefängnis eingesperrt und haben noch viele Leidensjahre vor sich. Die Strafe von Bhuchung und Choesang geht 2010 bzw. 2009 zu Ende, und die von Tsephel im Jahre 2011.