Human Rights Update

Oktober 2000

Inhalt
  1. Der Mönch Jamphel Sherab berichtet von seinen Verfolgungen
  2. Kloster Tsurphu nach der Flucht des Karmapa
  3. Restriktionen im Landkreis Gongkar
  4. "Arbeitsteam" in dem Kloster Pashoe
  5. Zeugnis einer ehemaligen Lehrerin
  6. Umweltschäden und Rassendiskriminierung in der Bergbaugegend von Themchen
  7. Nonnenkloster Nag von einem chinesischen Arbeitsteam geschlossen
  8. Portrait: Sieben Jahre im Drapchi Gefängnis eingesperrt
Teil 1

Der Mönch Jamphel Sherab berichtet von seinen Verfolgungen

Jamphel Sherab, ein 31-jähriger Drepung Mönch, gebürtig aus dem Dorf Jishong des Kreises Gongkar, traf am 22. Oktober in Kathmandu ein. Am 27. September 1988 hatten sechs Mönche von Kloster Drepung zum Jahrestag eines Protestes im Vorjahr friedlich in Lhasa demonstriert. Ngawang Samphel, Jamphel Wangchuk, Ngawang Zegen, Ngawang Thosam, Ngawang Chemey und ihr Anführer Jamphel Sherab begannen mit Rufen wie "Freiheit für Tibet", "Chinesen verlaßt Tibet" und "Tibet gehört den Tibetern". Sie trugen keine monastische Kleidung und bald schlossen sich ihnen fünf weitere Personen an. Als sie gerade bei ihrer zweiten Umrundung waren, wurden sie von bewaffneten Volkspolizisten gestellt. Den örtlichen Bewohnern gelang es jedoch, diese zu vertreiben, so daß an diesem Tag niemand verhaftet wurde. Die Mönche flohen direkt nach Samye in Lhoka, wo Sherab einen Onkel hatte. Diesem schien es zu gefährlich, die Mönche bei sich zu verstecken, weshalb er ihnen etwas Geld gab und sie wegschickte. Sie kehrten am folgenden Tag nach Lhasa zurück. Sie wurden von einer alten Frau erkannt, die sie vor der Verhaftung retten wollte und sie zu einer nepalisch-tibetischen Familie brachte, die ihnen für die Nacht Unterschlupf gewährte. Am nächsten Tag traf Sherab seinen alten Freund Thachen, der die Mönche ebenfalls für eine Nacht aufnahm. Er riet ihnen nach Indien zu fliehen und gab ihnen sogar 1.000 Yuan für Reisekosten. Indem die Mönche auf diese Weise von einem Ort zu anderen wechselten, versuchten sie der Verhaftung zu entgehen. Unterdessen sandte ihnen Lamrim Rinpoche vom Drepung Kloster einen Brief mit dem Rat ins Kloster zurückzukehren, weil ein derartiges Wanderleben sinnlos für sie sei. Als sie nun Lamrim Rinpoche aufsuchten, lobte er sie für ihre Tat, riet ihnen jedoch, im Kloster zu bleiben. Sie sollten sich bereit machen, ins Gefängnis zu gehen und warme Kleidung tragen, ehrlich sein und die Wahrheit sagen. Elf Tage nach der friedlichen Demonstration erschienen die chinesischen Polizisten im Drepung Kloster. Sherab wurde von dem "Demokratischen Verwaltungskomitee" geholt und von zwei Polizisten vernommen. Sie sagten, er hätte eine große Dummheit begangen, aber Sherab entgegnete ihnen mutig, was er getan hätte, sei richtig gewesen. Zwei Stunden später wurden die Mönche dann in die Gutsa Haftanstalt abgeführt, wo sie getrennt voneinander in verschiedene Zellen eingeschlossen wurden. Um 3 Uhr nachts wurden sie einzeln vernommen, schwer geschlagen und mit Elektroschockgeräten gefoltert.

Sherab war 18 Monate lang eingesperrt, während die anderen nach 9 Monaten freigelassen wurden. Ngawang Zegen starb 6 Tage, nachdem er aus medizinischen Gründen entlassen wurde. Sherab wurde zusammen mit Kriminellen wie Mördern, Sexualverbrechern, Räubern und Häftlingen anderer chinesischer Volksgruppen eingesperrt. Der einzige weitere Gewissensgefangene bei ihm war der aus Drayab in Kham gebürtige Tenpa, ein Lama des Klosters Ramoche. Ein Gefängniswärter warf Sherab vor, er hätte ihn beleidigt, weil er ihn einmal nicht salutierte. Er ließ Sherab zur Strafe auf allen Vieren laufen, stieß ihn in den Bauch, trat auf seine Hände und schlug ihn ins Gesicht.

Drei Tage, nachdem Sherab entlassen wurde, hielten chinesische Beamte eine Versammlung in dem Drepung Kloster ab. Sie zählten die Mönche, die irgendwann einmal aus politischen Gründen im Gefängnis waren, einschließlich der derzeit inhaftierten. Insgesamt waren es 43, die alle des Klosters verwiesen wurden. Die ehemaligen politischen Gefangenen wurden der Sicherheitsbehörde ihrer jeweiligen Distrikte übergeben. Da kein Beamte aus Sherabs Gegend anwesend war, konnte er noch neun weitere Tage im Kloster bleiben. Dann kamen drei Sicherheitskräfte mit dem für Religionsangelegenheiten verantwortlichen Kader des Kreises Gongkar, die Sherab abholten und ihn seiner Familie übergaben. Die üblichen Einschränkungen wurden ihm auferlegt. Nach Schmieren der Behörden erhielt er Erlaubnis, für 6 Monate nach Drepung zurückzukehren. Dann pendelte er hin und her, manchmal hielt er sich im Kloster auf, manchmal zu Hause, bis Lamrim Rinpoche den Behörden versprach, für ihn zu bürgen. Auf diese Weise konnte er noch 2 Jahre im Drepung Kloster wohnen, bis zu dessen Tod 1997. 20 Tage danach wurde Sherab mit der Begründung, er sei ein "konterrevolutionärer Aktivist", aus dem Kloster hinausgeworfen.

Auf seine Ausweisung hin wohnte er zunächst bei Verwandten in Lhasa, wo er die heiligen Schriften studierte, aber sonst keine Arbeit hatte. Dann zog er in ein anderes Haus und studierte bei dem Privatlehrer Sortha Dorjee der Tibet Universität tibetische Literatur und Poesie. Seine Möglichkeiten waren jedoch so eingeschränkt, daß er am 6. Oktober Lhasa verließ. Er besaß ein Dokument, das ihn berechtigte bis Dram, der Grenzstation zu Nepal, zu fahren. Dort blieb er eine Woche, ehe er mit einem Sherpa-Wegführer, dem er 2.000 Yuan für Fahrt und Verpflegung bezahlt hatte, nach Nepal ging. 5 Tage hielt er sich im Haus des Sherpas auf, während dieser nach Dram zurückkehrte, um zwei weitere Flüchtlinge aus Amdo abzuholen. Alle zusammen brachen sie nun bei Nacht nach Barabise auf, wo sie sich 6 Stunden unter einer Brücke verbargen. Schließlich wurden sie von einer Ambulanz mitgenommen, die sie hinten in ihrem Fahrzeug versteckte. Am 22. Oktober kamen sie in dem Flüchtlings-Aufnahmezentrum in Kathmandu an.

Sherab kommt aus einer Bauernfamilie, die seine Eltern, zwei ältere Brüder, drei jüngere Schwestern und zwei jüngere Brüder umfaßt. Von 9-14 Jahren ging er in die Grundschule von Jishong. Im Oktober 1980 kam er nach Lhasa, wo er zunächst in einer Zementfabrik teilzeitig arbeitete. Als er 18 Jahre alt war, trat er 1983 in das Drepung Kloster ein, das damals etwa 450 Mönche beherbergte.

Teil 2

Kloster Tsurphu nach der Flucht des Karmapa

Karma Thupten Choephel ist ein 24-jähriger Mönch aus Kloster Tsurphu. Choephel, der ursprünglich aus dem Dorf No. 2 der Gemeinde Shepo in Kreis Nyemo stammt, erreichte am 15. Oktober Kathmandu. Er berichtete, daß auf die Flucht des Karmapa anfangs des Jahres hin dessen persönliche Gehilfen Choedup, Dasa und Sonam Tsering einen Tag in Lhasa festgehalten wurden, wo sie zur Strafe und Demütigung während der Verhörsitzungen auf einem Stuhl stehen mußten. Diese drei hatten in der Nacht, als der Karmapa floh, Dienst, weshalb ihnen angelastet wurde, etwas von dem Fluchtplan gewußt zu haben. Gegenwärtig leben in Tsurphu 326 Mönche, aber es gibt keine Neuaufnahmen mehr, und alle Mönche, die Verwandte in der tibetischen Regierung-im-Exil haben, werden ausgestoßen. Einige von ihnen sind: Jigme, Pema Dorjee, Rigsang, Sonam Tsering, Tsetan Choephel, Gyaltsen und Tenzin Nyandak. Tibeter, die im Dienst der chinesischen Verwaltung stehen, dürfen keine Religion mehr ausüben. Die Leitung des Klosters Tsurphu wurde nach der Flucht des Karmapa umgekrempelt, nur Lobdun, der Chef des Demokratischen Verwaltungskomitees, wurde auf seinem Posten belassen. Es heißt, er sei den Chinesen hörig und halte nichts von tibetischer Unabhängigkeit und dem Dalai Lama. Die Chinesen preisen ihn als einen vorbildlichen Verwalter, der "für strenge Zucht im Kloster sorgt und die Nation liebt". Die Mönche forderten, daß er als ihr Chef belangt werden solle, aber die Staatsvertreter ignorierten ihr Verlangen.

Schwere Einschränkungen wurden den Mönchen von Tsurphu auferlegt, bewaffnete Polizisten überwachen nun all ihre Bewegungen. Die Türen der Hauptgebetshalle werden vor, während und nach den Zeremonien von Polizisten bewacht. Nicht einmal zu Studienzwecken dürfen die Mönche sich gegenseitig in ihren Zimmern aufsuchen. Die diensthabenden Polizisten platzen herein und stellen Fragen wie: "Worüber habt ihr gerade geredet?" "Plant ihr etwa die Flucht nach Indien?" "Steht ihr in Verbindung mit den 'Dalai Spaltern'?" Choephel meinte: "Heutzutage werden jedes Gespräch über Flucht nach Indien, das Anhören von Kassetten mit Reden des Dalai Lama und das Abhören von tibetischen Nachrichten als Verbrechen schlimmer als kriminelle Delikte, ja schlimmer als Mord angesehen".

Auf die Flucht des Karmapa hin wurden alle Kagyu Klöster strenger Kontrolle unterworfen. Beispielsweise wurden dem Nyelnang Kagyu Kloster in Toelung Dechen und dem Kalo Kagyu Kloster in Kham Derge Einschränkungen auferlegt. Die Mönche dieser Klöster dürfen sich nicht mehr frei bewegen, und Polizisten kontrollieren alle ihre Schritte. Ähnliche Restriktionen wie in Tsurphu wurden auch in anderen Kagyu Klöstern eingeführt. In einigen Klöstern in Nyemo wurde das Photo von Urgyen Thinley Dorjee (Karmapa) streng verboten. "Nach der Flucht des Gyalwa Karmapa sank die Zahl der Besucher in Kloster Tsurphu drastisch. Ein 12-jähriger Junge, der von Gyalwa Karmapa als Pawo Rinpoche erkannt wurde und der in Tsurphu wohnte, wurde weggeholt und muß nun eine staatliche Schule in Lhasa besuchen."

Karma Thupten Choephel verließ seine Heimat am 3. September und floh zusammen mit 4 Gefährten über die Kailash Gegend nach Nepal: "Mein Hauptziel, warum ich nach Indien kam, ist eine Audienz bei Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama zu erhalten. Außerdem ist Gyalwa Karmapa nun in Indien. In Tibet gibt es keine religiöse Freiheit. Heutzutage dürfen bei der Regierung angestellte Tibeter keine Religion mehr ausüben, und mir scheint, daß dieses Verbot allmählich auch für Mönche gelten wird."

Teil 3

Restriktionen im Landkreis Gongkar

Zweimal wöchentlich werden in Kreis Gongkar politische Kundgebungen abgehalten, bei denen den Bauern eingeschärft wird, daß der Besitz von Dalai Lama Bildern, sowie jegliches Gespräch über tibetische Freiheit streng verboten sind. Staatliche Angestellte dürfen keinen religiösen Zeremonien beiwohnen oder in Tempeln anbeten. Das in jedem Dorf stationierte Sicherheitspersonal kontrolliert die Aktivitäten der Dorfbewohner, ob sie etwa über tibetische Unabhängigkeit reden oder den Sender Voice of America hören. In dem Dorf Gangchu gibt es Familien, die Verwandte in Indien haben, weshalb sie regelmäßig von den Behörden belästigt werden. Alle Briefe, die sie aus Indien erhalten, werden auf politischen Inhalt untersucht. In Gangchu wohnen 93 Familien mit etwa 560 Einwohnern. Zu Beginn 2000 gab es Meetings in dem Dorf, bei denen jeder Bewohner einzeln unterwiesen wurde, wie er sich gegen tibetische Unabhängigkeit auszusprechen habe.

Das Dorf Hui She der Gemeinde Jishong ist der Geburtsort von Tashi Tsering, der 1999 die chinesische Flagge vor dem Potala Palast herunterholte. Sein Vater Yebsang starb 1998. Ein Bruder und eine Schwester Tashis wohnen noch in dem Dorf. Seine Eltern wurden 1992 geschieden, worauf er und seine Mutter nach Lhasa zogen. Am 26. August 1999 riß Tashi Tsering die chinesische Nationalflagge vor dem Potala Palast herunter. Er wollte sich gleich danach mit Sprengstoff, den er sich um den Leib gebunden hatte, das Leben nehmen, aber dieser zündete nicht. Tashi wurde augenblicklich verhaftet und so schwer von dem Sicherheitspersonal geschlagen, daß er kaum mehr gehen konnte, als er im Haftzentrum ankam. Sogar auf dem Weg dorthin wurde er mißhandelt. Bald nach diesem Vorfall wurde sein Heimatdorf von Polizisten überflutet. Seine in Lhasa ansässige Mutter und Frau wurden zur Vernehmung gerufen und mehrere Tage festgehalten. Auch die Verwandten in seinem Dorf in Lhoka Gongkar wurden von den Schergen des Public Security Bureau unter Demütigungen und Mißhandlungen intensiv vernommen.

Seitdem wurde die Kontrolle in der Gemeinde Jishong drastisch verschärft. Keine Familie wagt mehr, Dalai Lama Bilder in ihrem Haus zu haben. Bei einer Familie in dem Dorf No. 12 der Gemeinde Gyaral wurde das verbotene Photo entdeckt, weshalb sie zu einem Meeting zitiert und öffentlich gedemütigt wurde. Zusätzlich soll sie mit einer Geldstrafe belegt worden sein.

Nach einem Bericht von Xinhua vom 21. Oktober 1999 dementierte Xu Mingyang, stellv. Vorsitzender der TAR (Autonome Region Tibet), "einige ausländische Berichte, denen zufolge der Mann, der den Sprengstoff zu zünden versuchte, in einem lokalen Gefängnis gestorben sei... der Verbrecher, ein Bauer aus der Gegend von Lhasa, der Hauptstadt der Region, ist noch am Leben, er bekannte alle seine kriminellen Taten und zeigte sich zur Besserung willig". Von Tashi Tserings Gesundheit war keine Rede, noch von einer Verurteilung. Die Chinesen ignorierten Forderungen des TCHRD, falls ihre Angaben wahr seien, Tashi Tsering vorzuweisen.

Der 27-jährige Migmar Gyaltsen, der aus Tibet floh, ist das achte von 11 Geschwistern. Der aus dem Dorf Gangchu, Gemeinde Jishong, Kreis Gongkar, stammende Migmar besuchte niemals eine Schule. Abgesehen von 4 seiner Geschwister sind alle anderen des Lesens und Schreibens unkundig. Migmar erreichte am 25. September das Tibetan Refugee Reception Centre in Kathmandu. Er erzählte von Zwangsarbeit und Zwangskäufen von Kunstdünger. Die Bauern von Dorf Gangchu müssen ungeachtet ihres Alters zwei Wochen im Jahr ohne Entlohnung beim Straßenbau, Tunnelgraben und anderen Verrichtungen helfen. Leute, welche die verlangte Arbeit nicht leisten, werden mit 40 Yuan bestraft.

Die Bauern müssen jedes Jahr zweierlei Kunstdünger kaufen, einen für die Oberfläche und einen, der unter die Erde gegraben wird. Ein Sack von 100 gyama des ersten kostet 53 Yuan, und der zweite kostet 100 Yuan pro 100 gyama. Obwohl dieser Kunstdünger recht wenig Nutzen bringt, wird er in der ganzen Gemeinde verteilt und niemand darf sich weigern, ihn zu kaufen. Lokalbehörden stellen die unerwünschten Säcke vor die Tür jeder Familie und sammeln das Geld dafür ein. Durchschnittlich muß jede Familie 4 Säcke Oberflächendünger und 6 Säcke Bodendünger kaufen. Migmar selbst arbeitete zu Hause in der Landwirtschaft. Seine 11-köpfige Familie besitzt 56 mu (1 mu = 67 qm) Grund und Boden. Normalerweise bekommt jede Person 5 mu, worauf hauptsächlich Weizen und Gerste angebaut werden. Der Jahresertrag beträgt etwa 600-700 drukhel (1 drukhel = 14 kg). Jeder Haushalt muß 130 drukhel zu einem geringen Preis an den Staat verkaufen. Migmar fand die staatlichen Auflagen unerträglich und wünschte, daß "die Leute außerhalb Tibets erfahren sollen, was dort vor sich geht". Deshalb verließ er mit einer Gruppe anderer Flüchtlinge Lhasa und floh über Porong nach Nepal.

Teil 4

"Arbeitsteam" in dem Kloster Pashoe

Die Arbeitsteams, die 1998 nach Pashoe kamen, behaupteten, der Buddhismus würde als eine Religion der Minderheiten "Religionsfreiheit" genießen. Darunter verstanden sie jedoch die Billigung von Disziplinlosigkeit im Kloster, etwa, daß die Mönche während der Gebetszeremonien frei aus- und eingehen dürfen. Diese Grundsätze verteilten sie auch schriftlich. Damals setzten sie ein Alterslimit in Kloster Pashoe fest und warfen viele Mönche hinaus. Gegenwärtig ist die Obergrenze auf 238 festgesetzt. 140 ausgewiesene Mönche setzen jedoch heimlich ihre Studien fort und immer wenn die Kader auftauchen, verlassen sie das Kloster. Als die Chinesen die Personalausweise für die ihnen akzeptablen Mönche ausstellten, wollten ein paar jüngere Mönche aufbegehren. Die älteren Mönche rieten ihnen jedoch von solchem Tun ab, weil dies ernste Folgen für das Kloster haben könnte.

Die Kader des "Arbeitsteams" erklärten, "der Dalai Lama vertrete den falschen politischen Standpunkt, wobei sie als Beispiel nannten, daß er früher selbst Shugden angebetet, dies aber später verboten hätte". Sie verteilten Druckschriften mit derartigen Argumenten, welche die Mönche später aus Ärger verbrannten oder zerrissen. Auch in anderen Klöstern gab es ähnliche Lektionen, die eben solchen Unmut hervorriefen. Die Mönche von Kloster Pashoe selbst waren nicht in politische Aktivitäten verwickelt, nur einige der jüngeren, die in Lhasa studierten. Nachdem die älteren Mönche eine Erklärung abgaben, daß ihr Kloster nichts mit politischen Aktivitäten oder dem Dalai Lama zu tun hätte, wurden keine weiteren Arbeitsteams mehr dorthin entsandt.

Lobsang Tsering, ein 24-jähriger ehemaliger Mönch von Kloster Pashoe, erreichte Indien am 19. Oktober. Er stammt ursprünglich aus Dorf Winda der Präfektur Chamdo. Obwohl Tsering mit 10 Jahren als Mönch ordiniert wurde, blieb er bis 1995 bei seiner Familie, wonach er in Kloster Pashoe eintrat. Seine Eltern sind Nomaden und er hat 3 ältere Brüder und 2 jüngere Schwestern. Der Haushalt besitzt 40 Yak/Dri, 60 Schafe und 3 Pferde. In seinem Dorf wohnen 23 Familien. Es gibt in der ganzen Umgegend keine Schule, und die ganze Familie ist ungebildet. Alle gehen der Nomadentätigkeit nach.

Tsering brach am 26. März nach Lhasa auf, wo er nach einer Möglichkeit, wie er nach Indien gelangen könnte, Ausschau hielt. Abends lernte er in einer Schule beim Ramoche Kloster Englisch. An dieser Schule, die 40-50 Schüler zählt, sind ausländische Lehrer angestellt, die aber ständig wechseln. Weil ein Freund ihm die Schulgebühren bezahlte, weiß er nicht, wie hoch diese sind. Er merkte nichts von polizeilicher Überwachung, weshalb er meint, die Schule werde von den Chinesen geduldet.

Tsering verließ am 3. Oktober in einer Gruppe von 27 Personen Lhasa. Sie trennten sich in Shigatse und stießen später wieder zusammen. Dann fuhren sie in einem überdeckten LKW nach Dhingri und liefen bei Nacht nach Shar Bumpa, um den Checkpost zu umgehen. Sie hatten einen tibetischen Guide, dem jeder 1.050 bis 1.500 Yuan zahlte. Er brachte sie bis an die Grenze und überließ sie dann ihrem Schicksal. In Nepal wurden sie von der Polizei angehalten, die ihnen alles abnahm, was sie bei sich hatten und 15.000 Rs. pro Person forderte. Die Polizisten wollten sie nach Tibet zurückschicken und brachten sie bis in die Nähe der Grenze. Dort konnten sie aber bei Nacht, während die Polizisten schliefen, entwischen. Einige Tage später wurden sie in Jiri festgehalten und dann in einem Bus nach Kathmandu geschickt, wofür jeder Rs. 50 zahlen mußte. Die Einwanderungsbehörde in Kathmandu forderte Rs. 10.000 von ihnen, angeblich für ihre Verköstigung, die ausschließlich aus Nudeln bestand. Das Tibetan Reception Centre in Kathmandu holte sie schließlich von der Einwanderungsbehörde ab.

Teil 5

Zeugnis einer ehemaligen Lehrerin

Die 20-jährige Rinchen Paldon, eine ehemalige Grundschullehrerin, berichtete nach ihrer Ankunft in Indien über das Schulsystem, die jährlichen Steuern, die Heimsuchungen der Arbeitsteams und die Prostitution in ihrer Heimatstadt in Tibet.

Nach den üblichen Prüfungen in Mathematik und Tibetisch wurde Rinchen der Thokar Choe Volksschule als Rechenlehrerin zugewiesen, wo sie vier Jahre lang für den mageren Gehalt von 150 Yuan pro Monat arbeitete. Die Schüler werden in Tibetisch, Rechnen und Chinesisch unterrichtet. Die meisten Lektionen handeln von den Errungenschaften der chinesischen Revolutionshelden wie Mao, sowie von chinesischer Literatur und Geschichte. An dieser Schule mit 150 Schülern lehren 12 tibetische Lehrer. Rinchen, die selbst 6 Jahre lang auf die Thokar Choe Volksschule ging, besuchte danach als Privatschülerin ein Jahr lang die Kreismittelschule.

Einer der Hauptgründe, warum Rinchen floh, ist ihr Wunsch, weiterzustudieren, was bei den hohen Gebühren in ihrer Heimat unmöglich ist. Die geringe Entlohnung von 150 Yuan, die sie 4 Jahre lang als Grundschullehrerin bekam, reichte nicht einmal für ihren eigenen Lebensunterhalt aus. Rinchen meint, daß es für die Tibeter in ihrer Heimat keine Zukunft gebe. Unter dem Vorwand, sich zu einer ärztlichen Untersuchung nach Lhasa begeben zu müssen, floh Rinchen nach Indien.

In dem Dorf Yado gibt es 38 Haushalte, aber weder einen Arzt noch elektrischen Strom. Der Staat auferlegt indessen verschiedene Arten von Steuern wie Abgaben auf Butter, Futtergras, Holz und Korn. 150 gyama (1 gyama = 500 g) Gras müssen jährlich abgeliefert werden, während die Holzabgabe 80 gyama pro erwachsenen Einwohner beträgt. Die Getreidesteuer wird nach der Anzahl von mu bemessen, die jede Familie besitzt, aber Rinchen konnte keine genaue Auskunft über die Höhe dieser Steuer geben.

Immer wieder gibt es öffentliche Kundgebungen in dem Dorf, bei denen die Chinesen erklären, daß den Tibetern der Besitz von Dalai Lama Bildern verboten ist. Chinesische Sicherheitskräfte durchsuchten 1997 zweimal die Häuser der Bewohner. Die Tibeter pflegen die verbotenen Bilder zu verstecken, wenn die Chinesen kommen, und nach deren Weggang wieder aufzustellen. In der Gemeinde Pashoe sind die Chinesen in der Überzahl, sie betreiben die Geschäfte und Restaurants. Eine derartige geschäftliche Übermacht der Chinesen beraubt die Tibeter der Möglichkeit, Einkommen zu schaffen. Darüber hinaus floriert die Prostitution in der Gemeinde Pashoe. Anfänglich waren die Prostituierten in Bars und Karaokes heimlich am Werk. Aber 1997 wurden Betonklötze gebaut, wo sie nun offen ihr Geschäft betreiben können. Bei den Prostituierten, die in die Dutzende gehen, handelt es sich um eingewanderte Chinesinnen.

Im März 2000 verließ Rinchen ihre Heimat und kam mit ihrem Vater und zwei Schwestern nach Lhasa. Nach 15 Tagen Aufenthalt dort fanden sie einen guide aus Amdo, dem sie 600 Yuan als Anzahlung gaben und vereinbarten, bei ihrer sicheren Ankunft in Indien je 800 Yuan pro Person zu zahlen. Traurigerweise wurden sie unterwegs in Chosu von den Chinesen geschnappt. Rinchen und ihr Vater wurden in Gewahrsam genommen, während ihre 10 und 13 jährigen Schwestern außen im Hof stehen gelassen wurden. Der Vater und seine Tochter wurden nun vernommen, was der Grund und das Ziel ihrer Reise sei. Als sie antworteten, sie befänden sich auf Pilgerfahrt, wurden sie geschlagen, gestoßen, geohrfeigt und mit den Elektrowaffen traktiert. Schließlich mußten sie zugeben, daß sie nach Indien gehen wollten. Rinchen wurde 2 Tage festgehalten und ihr Vater einen Monat und 13 Tage. Alles Bargeld und alle Sachen, die sie bei sich hatten, wurden ihnen abgenommen, außer dem Geld, das sie in ihren Schuhen und den Zahnpastatuben versteckt hatten. Rinchens Vater blieb 2 Wochen in Lhasa und kehrte nach Pashoe zurück, während er seine Töchter bei Verwandten in Lhasa ließ. Rinchen arbeitete nun 6 Monate lang in einem chinesischen Restaurant als Putzfrau, wofür sie 300 Yuan monatlich und Verköstigung bekam. Aber die ganze Zeit über sann sie über eine Möglichkeit zur Flucht nach. Schließlich schloß sie sich einer Gruppe von 27 Personen an, die nach 14 Tagen Fußmarsch über Shar Bumpa Nepal erreichte und am 17. Oktober in dem Tibetan Reception Centre ankam. Rinchen möchte nun eine tibetische Schule in Indien besuchen.

Teil 6

Umweltschäden und Rassendiskriminierung in der Bergbaugegend von Themchen

Der Kohleabbau in Mhera in Kreis Themchen führte zur Erschöpfung des umliegenden Weidelandes und zum Tod von Viehherden; auch einige lokale Tibeter der Gegend Huo Long kamen zu Tode. Abfallprodukte aus dem Bergwerk werden rücksichtslos im Gelände abgelagert, was schwere Umweltschäden nach sich zieht. Proteste der Lokalbevölkerung wegen dieser Zerstörung ihrer Umwelt werden völlig ignoriert. Die Mhera Bergwerke, die 1990 mit Bewilligung der Stadt mit dem Kohleabbau begannen, beschäftigen an die 1.000 Arbeiter. Die umliegende Gegend und das Dorf sind von Tibetern bewohnt. Sie beliefern die in der Nähe befindlichen Zementfabriken mit Kohle, darunter die Zementwerke Ghoma, Zhite County, Xingne Khangthang und Lhanzhoutang. In der Hauptsaison von Juli bis September werden täglich 10.000 t Kohle abgebaut, die in 50-60 LKWs abtransportiert werden. Ein großer Lastwagen faßt 8 t. Die meisten Arbeiter sind Chinesen. Früher arbeiteten noch 10 Tibeter dort, aber nun schrumpfte ihre Zahl auf weniger als ein halbes Dutzend. Der Unternehmer, ein Chinese, holt seine eigenen Leute zur Arbeit. Es gab Fälle von offener Verunglimpfung, wo Tibeter von den Chinesen als "tibetischer Hund" bezeichnet wurden. Außerdem werden die Tibeter auch insofern diskriminiert, als sie von den besser bezahlten Stellen ausgeschlossen werden. Man hörte auch von inoffiziellen Steuern, die den Dörflern auferlegt werden. Wenn chinesische Beamte oder Freunde des Kreisleiters (chin. xianzhang) irgendwelche Dinge brauchen, stellen sie eine Liste der benötigten Produkte auf. Diese Liste wird dann irgendeinem vom Kreischef bestimmten Haushalt des Landkreises vorgelegt, und dieser muß die aufgelisteten Produkte unter dem Vorwand, es würde sich um eine Art Steuer handeln, ohne Entgelt liefern.

Jamyang, ein 23-jähriger Fahrer aus der Bergwerkgegend Mhera, verließ am 7. Oktober Tibet und floh mit einer Gruppe von 31 Personen über Shar Bumpa nach Nepal. Sie hatten einen Khampa guide namens Tashi, dem sie 800 Yuan pro Person zahlten. Die ganze Gruppe wurde in Barabise von der nepalesischen Polizei gefaßt und der Einwanderungsbehörde übergeben. Am 24. Oktober übernahm dann ein Mitglied des Flüchtlings-Aufnahmezentrums in Kathmandu die Gruppe. Jamyang begehrt nun als erstes eine Audienz beim Dalai Lama und möchte dann seine Studien in Indien fortsetzen.

Teil 7

Nonnenkloster Nag von einem chinesischen Arbeitsteam geschlossen

Sonam Wangyal, der kürzlich in Dharamsala eintraf, berichtet, chinesische Kader hätten. das nördlich von Kreis Tawu, Provinz Sichuan, gelegene Nag Kloster gänzlich geschlossen. Diese Schließung erfolgte im Zuge der "Schlag-hart-zu" Kampagne, welche die chinesische Regierung im April 1996 in Tibet vom Stapel ließ. Wie Sonam berichtete, suchte im Mai 2000 ein 10-köpfiges Arbeitsteam von der Kreisverwaltung Tawu das Nonnenkloster Nag heim und zwang die Nonnen, eine politische Verpflichtung gegen den Dalai Lama zu unterschreiben. Die chinesischen Kader erklärten, daß nur jene Nonnen, welche sie Verpflichtung eingehen, einen Personalausweis bekämen. Die etwa 130 Nonnen des Klosters leisteten einstimmig Widerstand gegen die Order des Arbeitsteams und weigerten sich, die Verpflichtung zu unterschreiben. Als Reaktion darauf erklärten die Kader das Kloster für geschlossen und versiegelten es. Alle Nonnen wurden nach Hause geschickt. Das Kloster Nag gehört traditionsgemäß der Gelugpa Richtung an. Es wurde während der Kulturrevolution zerstört und später von ortsansässigen Tibetern wieder erbaut.

Teil 8

Portrait: Sieben Jahre im Drapchi Gefängnis eingesperrt

Die 29-jährige Che Che aus dem Dorf Kuru, Gemeinde Sumpang in Kreis Phenpo Lhundrup, war Nonne in dem Kloster Phenpo Gyabra. Sie kommt aus einer Halbnomaden Familie, die 6 Personen zählt. Ihr Vater starb, als sie noch ein Kind war; sie hat einen Bruder und zwei jüngere Schwestern. Von Kindesbeinen an half sie ihren Eltern bei der Viehwirtschaft. 1990 trat sie in das Kloster Phenpo Gyabra ein, in dem sie von da an wohnte. Dieses Kloster wurde während der Kulturrevolution zerstört, und sie war an den Renovierungsarbeiten beteiligt. Abgesehen von 20 Nonnen waren die anderen 120 damals alle Novizinnen.

Am 12. Februar 1995 machten sich 14 Nonnen von Phenpo Lhundrup auf den Weg nach Lhasa, um zu demonstrieren. Diese waren Chogdrup Dolma, Ngawang Dolma, Thupten Jugney, Yangdon, Jamdron, Monlam Choenyi, Tsering Choekyi, Ngawang Zoepa, Ngawang Tsomo, Namgyal, Sherab Choephel, Palchen, Chungkyi und Che Che. Einen Tag lang marschierten sie von Phenpo nach Lhasa, und am folgenden Tag demonstrierten sie friedlich, indem sie Unabhängigkeitsparolen riefen. Beamte des Sicherheitsbüros von Lhasa nahmen die Nonnen augenblicklich fest und brachten sie in die Gutsa Haftanstalt. Dort wurden sie einzeln von den Polizeischergen geschlagen. Unter unmenschlichen Folterungen wurden die Nonnen mehrere Stunden lang an einem Stück vernommen. Im Juni 1995 wurden sie dann vor das Mittlere Volksgericht von Lhasa gestellt und zu Haftstrafen verschiedener Länge von 5 bis 7 Jahren verurteilt. Che Che bekam 5 Jahre Gefängnis. Am 31. Juli 1995 wurden die 14 Nonnen nach Drapchi verlegt; sie waren unter den 60 Nonnen, die als erste in die neue rukhag (Sektion) No. 3 kamen. Es war gerade der 1. August, der Tag, an dem 1949 die Volksbefreiungsarmee (PLA) gegründet wurde.

Die Nonnen mußten in Drapchi an ihrem ersten Tag den ganzen Tag von morgens bis abends mit unter die Armhöhlen und zwischen die Knie geklemmtem Zeitungspapier unbeweglich dastehen. Dazu hatten sie noch eine Wasserschüssel auf dem Kopf zu balancieren. Diese Art der Tortur ging drei Monate lang bis zum November so 1995 weiter. Darüber hinaus mußten sie militärartige Drillübungen ausführen. Viele der aus bäuerlichem Milieu stammenden Nonnen wurden immer wieder schwer geschlagen, weil sie die ausschließlich auf Chinesisch erfolgenden Instruktionen nicht verstehen konnten.

Am 10. Februar 1997 wurden die Nonnen von den Gefängnisoffizieren gerufen und gezwungen, chinesische Lieder patriotischen Inhalts zu singen. Zwei Nonnen begannen mit hohen schrillen Stimmen zu singen, um die anderen zu übertönen. Allmählich fielen diese auch in das Quietschen ein. Die zwei Nonnen wurden sofort abgeführt, während der Rest nach ihrer Freilassung schrie. Viele von ihnen wurden nach diesem Vorfall schwer mißhandelt. Che Che wurde ebenfalls nach den Protesten vom 1. und 4. Mai 1998 geschlagen und mißhandelt. Drei Monate lang wurde sie in Einzelhaft eingeschlossen. Als sie von dort herauskam, wurde ihr Urteil im Oktober 1998 um 2 Jahre verlängert, womit es nun insgesamt 7 Jahre beträgt. Che Che soll sich in einem erbärmlichen Zustand befinden und zudem an mentalen Störungen leiden.

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