Human Rights Update
September 2000 |
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Inhalt |
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Teil 1 |
Jigme Gyatso und Lodro Gyatso im Drapchi Gefängnis gefoltert
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Teil 2 |
Stellvertretender Gemeindevorsitzender unter Verdacht festgenommen
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Teil 3 |
Hausarrest für Khenpo Jigme Phuntsok
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Teil 4 |
Arbeitsteam in Kloster Raktsa
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Teil 5 |
Arbeitsteam in Kloster Shugang
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Teil 6a |
Das Recht auf Erwerb des Lebensunterhalts und Erziehung
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Teil 6b | Wie in fast allen chinesisch-geführten Schulen in Tibet nimmt die ideologische Indoktrinierung viel Raum im Lehrplan der Grund- und Mittelschulen des Kreises Sangchu der Khenlo TAP ein. Als seltene Ausnahme werden dort alle Fächer außer Chinesisch und Musik auf Tibetisch unterrichtet. Der 19-jährige Yithab Kyab, der unlängst im Exil eintraf, ging 3 Jahre lang zur Grundschule in der Ortschaft Gyusha und 2 Jahre auf die Mittelschule von Sangchu. Von allen Grundschulen in dem Landkreis hebt sich diejenige von Gyusha wegen ihrer befähigten Lehrer ab. Von den 300 Schülern sind nur etwa 30 Chinesen; die tibetischen Kinder kommen alle aus Bauern- und Nomadenfamilien. Die jährlichen Schulgebühren für ein Kind betragen 500 Yuan, aber es gibt keine Internatsmöglichkeit. Unterrichtet werden Chinesisch, Tibetisch und Mathematik. In der Mittelschule von Sangchu haben die Schüler außer Chinesisch und Tibetisch noch 10 verschiedene Fächer. Der Geschichtsunterricht handelt meist von der Formung der Volksrepublik China, der Tang Dynastie und der Kulturrevolution, während über tibetische Geschichte völlig geschwiegen wird. Das Fach Politik bedeutet eine Einführung in Sozialismus und die Ideologien des Marxismus und Leninismus. Musik wird gemäß der chinesischen Kultur und Tradition gelehrt. In der Schule sind etwa 600 Schüler, und die jährlichen Gebühren betragen 400 Yuan, wozu 300 Yuan als Zulassungsgebühr kommen. Nur etwa 20 tibetische Schüler von Kreis Sangchu können weiterlernen, nachdem sie die Aufnahmeprüfung zur Oberschule bestanden haben. Einige gehen auch auf das Lehrerseminar in der Khenlo TAP, während andere zu ihren Eltern zurückkehren, um im folgenden Jahr einen neuen Versuch zu machen. Yitham floh am 17. Juli über die Grenze bei Dram nach Nepal. Er kommt aus dem Dorf Omshi, Kreis Sangchu, Tibetisch Autonome Präfektur Khenlo. Seine Eltern sind Bauern. In ländlichen Gegenden wie der Ortschaft Khese, Kreis Malho der Provinz Tsongon, verlangen die Behörden von den Nomaden 500 Yuan Einschreibegebühr und als Lehrgeld 2 Schafe für den Schulbesuch ihrer Kinder. Außerdem müssen 30 gyama (1 gyama = 500 g) Butter und Käse abgeliefert werden, und die Eltern müssen die Schuluniformen selbst beschaffen. Wegen der unerschwinglich hohen Gebühren bleiben viele arme tibetische Kinder ohne Schulbildung. Es gibt auch eine Menge junger Leute, die zwar die Schule abschlossen haben, aber keine Anstellung finden, was die allgemeine Armut noch mehr verschlimmert. Diese arbeitslosen Jugendlichen helfen ihren Eltern in der Landwirtschaft, während sie nach bezahlten Arbeitsplätzen suchen. In dem Dorf Tsokha der Gemeinde Khese gehen von insgesamt 150 tibetischen Haushalten nur 10 Kinder zur Schule. In dem Dorf selbst gibt es keine Schule, nur in der Ortschaft der Gemeinde. Die Entfernung dorthin, sowie die hohen Schulgebühren halten die Eltern davon ab, ihre Kinder zur Schule zu schicken, die sie lieber zu Hause behalten, damit sie ihnen bei der Landwirtschaft helfen. Vier Nomadendörfer der Gemeinde Khese haben keine Schule, aber die Gemeinde nimmt nur 50 Kinder aus diesen Dörfern in die ihre Schule auf. |
Teil 6c |
Die Nomadenfamilie des 18-jährigen Thinlay aus der Gemeinde Khese zählt 12 Personen, darunter seine 5 Geschwister. Außer seinem ältesten Bruder besuchte niemand eine Schule. Der Haushalt hat 100 Yak/Dri und 500 Schafe. Thinlays Eltern wollten, daß er etwas lernt, weshalb sie ihn nach Lhasa schickten; dort blieb er 20 Tage und machte sich dann auf den Weg nach Nepal. Alle über 18-jährigen Bewohner der Gemeinde Shekar in der Region Shigatse werden zur Zwangsarbeit für den Bau von Straßen, Bewässerungsanlagen und Gebäuden herangezogen. Dabei müssen die Arbeiter selbst für ihre Verpflegung und Fahrtkosten zur Baustelle aufkommen, denn die Behörden stellen ihnen überhaupt nichts zur Verfügung. Seit 1998 zahlen sie zwar 6 bis 7 Yuan Lohn pro Tag und Arbeiter, fordern aber eine Strafe von 14 Yuan pro Tag für Tibeter, die bei der Zwangsarbeit das Soll ihres Haushaltes nicht erfüllen. Wegen dieser hohen Geldstrafen müssen arme tibetische Dorfbewohner immer, selbst wenn sie krank sind, zur Arbeit gehen. Auch von Betteln in dem Dorf Pelbar der Gemeinde Shekar wurde berichtet. In der Gemeinde Sherak gibt es 9 Siedlungen, und in Pelbar wohnen 85 Familien mit 650 Einwohnern. Etwa 35 Familien sind ganz arm und müssen sich oft Getreide von anderen Bauern ausleihen oder betteln, um sich ernähren zu können. Manche gehen zum Betteln nach Lhasa oder Shigatse, weil sie Geld brauchen, um ihre Schulden zu begleichen. Die Kreisbehörden verboten jedoch das Betteln, weil das eine "Schande für die Nation" sei. Das Groteske an der Situation ist, daß die Behörden den verarmten Bauern keine Unterstützung gewähren außer vielleicht ein paar Säcken Getreide und einem Stück Stoff, ihnen jedoch verwehren, nach Shigatse oder Lhasa zum Geldverdienen zu gehen. Im Oktober 1999 verfügte die Kreisverwaltung von Dhingri, daß keine Eltern mehr ihre Kinder zum Schulbesuch nach Indien schicken dürfen. Abgesehen von hohen Geldstrafen sehen sich solche Eltern von der Konfiszierung des ihnen zugeteilten Ackerlandes und ihres Viehs bedroht. Es heißt, daß in den letzten 20 Jahren nur 15 tibetische Schüler aus Kreis Dhingri die höhere Schule in Shigatse oder Lhasa mit Erfolg abschlossen, wobei es sich bei diesen um Kinder von Gemeinde- und Kreisbeamten handelt. In den Dörfern der Gemeinde Shekhar gibt es Grundschulen und in Dhingri eine Mittelschule, wo die Bauernkinder eine gewisse Erziehung erhalten. Da sich arme Leute die hohen Gebühren für ein weiteres Studium ihrer Kinder nicht leisten können, brechen die meisten tibetischen Kinder nach der Mittelschule ab. |
Teil 6d |
Dorje Tsering, der über die Zwangsarbeit, den Mißstand des Bettelns und die Erziehungslage in seiner Heimatgemeinde berichtete, sprach auch über die verschiedenen den Bauern auferlegten Steuern. Er selbst ist ein 54-jähriger Bauer der Gemeinde Shekar der Region Shigatse. Sein Haushalt muß jährlich etwa 150 gyama Getreide an die Lokalverwaltung abliefern. Diese Menge wird von allen Bauern gefordert, egal wie hoch der Ernteertrag ist. Die Bauern der Gegend produzieren hauptsächlich dru (Korn), seyma (Erbsen) und paykha (Rapssamen). Der Jahresertrag in Dorjes Landwirtschaft variierte von 80 bis 120 dru-khel (14 kg) Getreide. Bei einer schlechten Herbsternte liefern die Lokalbehörden 6 dru-khel Getreide pro Familienglied. Seit 1996 gab es jedoch keine Mißernten in dem Dorf. Dorjes Haushalt in Tibet zählt 9 Personen. Sie besitzen 4 ½ mu (1 mu entspricht 67 m2) Grund, die 5 Personen der Familie zugeteilt wurden. Als Dorje 1985 Indien besuchte, erhielt er eine Audienz beim Dalai Lama, kehrte aber nach einem Monat nach Tibet zurück. Nun floh er mit seiner 17-jährigen Tochter Dawa Bhuti nach Nepal. Trotz der Drohungen der Behörden von Dhingri möchte Dorje sie in einer Schule in Indien unterbringen und danach nach Tibet zurückkehren. Er fürchtet, daß sein Ackerland und Vieh konfisziert werden, wenn die Behörden von seiner Reise und Unterbringung seiner Tochter in einer Exilschule erfahren. |
Teil 6e |
Das Dorf Dechen in dem Landkreis Chentsa der Malho TAP zählt etwa 40 Haushalte, die alle Bauern sind. Der 28-jährige Tsering Dhondup ein Einwohner von Dechen, floh aus seinem Dorf und erreichte am 13. September nach einem Monat Reise Dharamsala. Dhondup berichtet über den allgemeinen Lebensstandard der Bewohner von Dechen, was für alle Dörfer Tibets gilt. Dhondups fünfköpfigem Haushalt wurden 7 mu Ackerland zugeteilt. Von ihrem Ernteertrag muß die Familie 200 gyama pro 1 mu Land an die Kreisbehörden abliefern, was im ganzen 1.400 gyama ausmacht. Darüber hinaus werden als Futtersteuer 100 Yuan pro Stück Vieh verlangt. Bei diesem Besteuerungssystem müssen die Behörden einen gewissen Betrag für die Produkte erstatten, der weit unter dem Marktpreis liegt. Dieses Geld wird jedoch zur Deckung der Kosten für Kunstdünger einbehalten, der den Bauern geliefert wird, ob sie ihn benötigen oder nicht. Solch ein Abgabesystem ohne Berücksichtigung der Qualität der Ernte und der Anzahl der Mitglieder eines Haushaltes stellt eine schwere Belastung für den Lebensunterhalt der Bauern dar. Viele Bauern suchen daher nach anderen Jobs wie Sammeln von yartsa gunbu (Heilpflanze) oder Arbeit auf dem Bau. Die Bauern kaufen von dem Lohn für derartige Gelegenheitsjobs auf dem Markt Nahrungsmittel zu viel höheren Preisen. Die Gebühren für ärztliche Behandlung in der Krankenstation der Gemeinde Dechen entsprechen auch nicht dem Einkommen der Dörfler. Das hindert sie daran, von den medizinischen Einrichtungen Gebrauch zu machen. Für ernstere Fälle müssen sie das Kreishospital aufsuchen, das noch viel mehr kostet. Dhondup bestätigt, daß man mindestens 1.000 Yuan haben muß (8 Yuan entsprechen etwa 1US$), um in dem Kreiskrankenhaus Aufnahme zu finden. Geburtenkontrollmaßnahmen sind jedoch durchweg unentgeltlich. Der Staat setzte eine Beschränkung auf zwei Kinder pro Ehepaar fest. Für ein drittes Kind wird das Paar mit 500 Yuan bestraft. Nach dem zweiten Kind muß die Mutter sich gewöhnlich kontrazeptiven Maßnahmen unterziehen. Jedes Jahr müssen 5 bis 6 Frauen von Dechen diese Prozedur über sich ergehen lassen. Ein Dreigespann aus der Gemeindeärztin und zwei Kadern von der Gesundheitsbehörde kontrolliert ständig die Frauen und schärft ihnen ein, daß ihre Armut daher komme, daß sie zu viele Kinder hätten. Gesundheitliche Schäden infolge von Operationen, die durch inkompetente Ärzte oder Sanitäter ausgeführt werden, sind sehr häufig. 1997 starb die 28-jährige Dorje Dolma des Dorfes Chentsathang der Gemeinde Chatsang des Landkreises Chentsa auf einen solchen Sterilisierungseingriff hin. Die medizinischen Kosten sind hoch: Eine intravenöse Injektion würde beispielsweise 140 Yuan kosten. Und in dieser Gegend liegt das Pro-Kopf-Einkommen bei etwa 2.000 Yuan pro Familie. Für die rund 70 Kinder der Gemeinde Dechen im schulfähigen Alter gibt es eine Grundschule. Aber das Erziehungssystem - hauptsächlich der Lehrinhalt sowie das Fehlen von positiven Zukunftsaussichten und die hohen Gebühren - halten die Eltern davon ab, ihre Kinder zur Schule zu schicken. In einem Jahr bestehen nur 2 oder 3 Kinder die Aufnahmeprüfungen zur Mittelschule. Die übrigen arbeiten wieder als Bauern. Die Eltern halten daher oft den ganzen Prozeß für sinnlos, wenn die Kinder am Ende doch wieder zur Landwirtschaft zurückkehren. Den Bewohnern der Gemeinde Dechen wurde der Besitz von Dalai Lama Bildern verboten, ebenso wenig dürfen sie Anhänger mit Dalai Lama Bildchen um den Hals tragen. Dhondup brach im Juli 2000 von zu Hause auf und erreichte nach einem fast einmonatigen Marsch über den Himalaya im August 2000 Nepal. |
Teil 6f |
Pema Dorjee, eine Nonne aus dem Kloster Dukha, berichtet über Zwangssterilisierung und Empfängnisverhütung in ihrem Dorf Dreka der Gemeinde Samyan, Provinz Qinghai. In dem Dorf Dreka wurde 1993 mit einer Beschränkung von 2 Kindern pro Paar die Geburtenkontrollpolitik eingeführt. In dem Dorf Dreka gibt es etwa 45 Nomadenfamilien. Die Behörden warnten vor den Folgen im Falle einer Übertretung dieser Verfügung. Pema Dorjee erinnert sich, daß eine Geldstrafe von 2000 Yuan (US$300) mit progressiv höheren Strafen für jedes weitere Kind auferlegt wurde, wenn nach Bekanntgabe dieser Order ein drittes Kind geboren wurde. Außerdem wird für das dritte Kind, bis es das 13. Lebensjahr erreicht hat, noch jährlich eine Strafe von 500 Yuan gefordert. Diejenigen, die das nötige Geld nicht haben, müssen damit rechnen, daß das Gesundheitsamt ihre landwirtschaftlichen Erträge und ihren Viehbestand konfisziert. Dorjee erinnert sich, daß "das chinesische Personal von der Gesundheitsbehörde in unser Dorf kam und systematisch alle Familien checkte. Die Operationen zur Zwangssterilisierung (Tubektomie) werden zweimal jährlich, im April und August, durchgeführt. Damals kamen etwa 16 von uns zur Sterilisierung infrage, und mir wurde gesagt, daß ich das 3. Kind, das ich gerade austrug, abtreiben und dazu noch 2.000 Yuan Strafe für die Schwangerschaft zahlen müsse. Da ich nicht genug Geld hatte, nahmen sie mir statt dessen meine Tiere weg. Ich vermied jedoch die Abtreibung, indem ich mein Kind insgeheim bei meiner Mutter, die in der Gemeinde Hotoe wohnt, zur Welt brachte." "In meinem Dorf gibt es keine Krankenstationen, nur in der Gemeinde eine. Die Ausgaben für ärztliche Behandlung sind hoch, weshalb viele Dörfler zu Hausmitteln greifen. Uns ist auch streng verboten, Bilder Seiner Heiligkeit des Dalai Lama aufzustellen. Unser Dorfchef ist Chinese und heißt La Shunyin. Es gibt in unserem Dorf auch viele Chinesen, die hier ihre Geschäfte betreiben. Ihre Kinder erhalten leicht Aufnahme in der Gemeindeschule, während es für tibetische Kinder sehr schwierig ist, zugelassen zu werden." Dorjee hat zwei jüngere Brüder und eine Schwester, die alle verheiratet sind. Ihre jüngere Schwester hat wegen der Geburtenbeschränkung nur 2 Kinder. Weil sie 50 Yaks und 200 Ziegen haben, müssen sie für den Anbau von Tierfutter Landsteuer an das Gemeindeamt zahlen, wozu noch eine Sondersteuer für den Besitz der Tiere kommt: für einen Yak 6 Yuan, pro Ziege 5 Yuan und für ein Pferd 8 Yuan. Nachdem Pema Dorje viele Jahre verheiratet war, trat sie in ein Nonnenkloster ein. Ihre Kinder sind in der Obhut ihrer Mutter und Verwandter. |
Teil 7 |
Portrait: Politischer Gefangener in Einzelhaft wegen Plakatierens
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