Human Rights Update

Juli 2000

Inhalt
  1. Hartes Durchgreifen gegen Religionsausübung in Tibet
  2. Massenausweisung aus dem Haupttempel Lhasas
  3. Schließung von Kloster Akyong Yarthang
  4. Politische Unruhe in Kreis Sog, 12 Festnahmen
  5. Drei Verhaftungen und drei Ausweisungen in Kloster Dozong
  6. Ehemaliger Mündel der Gyatso Waisenschule erreicht Indien
  7. Zeugnis eines ehemaligen politischen Gefangenen
  8. Bauernehepaar eingesperrt wegen Anbringens von Plakaten
  9. Erbärmliche Situation eines tibetischen Landmannes
  10. Ein ehemaliger politischer Gefangener berichtet
  11. Portrait: Nonne durch die brutale, unmenschliche Folter zum Wahnsinn getrieben
Teil 1

Hartes Durchgreifen gegen Religionsausübung in Tibet

Die chinesischen Behörden zogen die Maßnahmen gegen religiöse Ausübung in allen Regionen Tibet, besonders aber in Lhasa, dem Zentrum religiöser Aktivitäten, scharf an. Die in den letzten Monaten gestartete drastische Kampagne beeinträchtigt ernstlich die Freiheit der Tibeter in Sachen Religion. Die chinesischen Sicherheitskräfte veranstalten ausgedehnte Razzien nach religiösen Utensilien und Dalai Lama Photos in tibetischen Häusern. Die Atmosphäre in und um Lhasa hat sich wegen dieser Maßnahmen noch mehr angespannt, und bisher wurden 450 Tibeter mit 500 oder mehr Yuan bestraft, weil sie Dalai Lama Bilder in ihren Häusern aufstellten. Zwei Studenten wurden ihrer Schule verwiesen, weil sie Gebete dargebracht hatten. In der Gemeinde Nangkhal des Kreises Toelung Dechen wurden Photos des Dalai Lama verbrannt. Von tibetischen Familien konfiszierte religiöse Artefakte wie Thangkas, Statuen und Hausaltäre wurden in den Kyichu Fluß geworfen.

Fünf Regierungsämter - Volksregierung der Stadt Lhasa, Informationsabteilung der Stadt Lhasa, Disziplinar- und Inspektionskomitee der Stadt Lhasa, Justizbüro der Stadt Lhasa und Kommission für religiöse Angelegenheiten der Stadt Lhasa - brachten im März 2000 eine gemeinsame Verordnung heraus. Diese untersagt den Angestellten der tibetischen Regierung und Parteimitgliedern in Lhasa, Bilder des Dalai Lama aufzustellen, Hausaltäre zu haben, die traditionell symbolischen Gebetsfahnen anzubringen, sowie die Öfen zur Verbrennung von Wachholder-Weihrauch zu halten.

Weiterhin ist den Schülern und Studenten in Lhasa verboten, Tempel zu besuchen oder religiöse Versammlungen zu besuchen und das Heiligtum der Stadt zu umschreiten. Im März 2000 zitierten die Vorsitzenden der Stadtgemeinde Lhasa Lehrer und Schüler der Jebumgang Grundschule zu einer Versammlung und bedrohten sie mit Ausweisung von der Schule, falls sie Tempel besuchten oder religiösen Aktivitäten nachgingen. Zwei Schüler, die ertappt wurden, wie sie vor der Drazhi Göttin um Erfolg in ihren Prüfungen beteten, wurden, wie verlautet, aus ihrer Schule hinausgeworfen.

Im Juni konfiszierten die chinesischen Beamten bei einer Durchsuchung von 18 Häusern von Künstlern der Tibet-Oper religiöse Gegenstände wie Altäre, Thangkas, Statuen und andere Utensilien, die schließlich in den nahegelegenen Kyichu Fluß geworfen wurden. Etwa 450 Tibeter wurden mit Geldbußen von je 500 Yuan belegt, weil Dalai Lama Photos in ihren Häusern gefunden wurden. Nach diesem unerwarteten Überfall der Behörden sollen viele tibetische Angestellte vor Schreck ihre Altäre und religiösen Gegenstände zur Aufbewahrung in die nächsten Klöster gebracht haben.

Während des Sagadawa (der Monat von Buddha Shakyamunis Geburt, Erleuchtung und Tod) wurde die Überwachung am lingkhor (Umrundungsweg) erhöht. Eine große Anzahl von Bediensteten des Public Security Bureau, der People's Armed Police und anderer regionaler Sicherheitsverbände wurden dort aufgestellt, um die Bewegungen der Tibeter zu beobachten. Selbst die Belegschaft von chinesischen Regierungsbüros und Schulen mußte bei der Identifizierung von Tibetern und Schülern helfen, welche die üblichen Umschreitungen in und um Lhasa ausführten.

Bei einem Meeting von verschiedenen der Volksregierung von Toelung Dechen unterstehenden Gemeindevorstehern wurde ein Befehl an die lokale Bauern- und Nomadenbevölkerung erteilt, der ihnen den Besitz von Dalai Lama Bildern verbietet. Das aus Angestellten der Kreis- und Gemeindebehörden gebildete Inspektionskomitee warnte die Einwohner von Kreis Toelung, daß plötzliche Durchsuchungen ihrer Häuser stattfinden würden.

Einem kürzlich eingetroffenen Flüchtling aus Toelung Dechen zufolge führte eine im Juni 2000 bestehende Kommission aus Beamten des Kreises Toelung Dechen und verschiedenen Gemeindevorstehern ausgedehnte Fahndungen nach Dalai Lama Bildern durch. In 10 Gemeinden des Kreises Toelung Dechen wurden Dalai Lama Bilder gewaltsam aus den Häusern der Einwohner entfernt, nämlich in den Gemeinden Leu (Sangda), Ma, Gurum, Jarak, Nechung, Lamo, Dechen, Yada, Thongka und Nangkha. In der dritten Juniwoche 2000 verbrannte diese Kommission die konfiszierten Dalai Lama Bilder in der Ortschaft Nangkha. Sie drohte den ortsansässigen Tibetern mit gerichtlicher Untersuchung, falls fortan noch Dalai Lama Bilder in ihren Häusern entdeckt würden.

Wie verlautet, erteilte die chinesische Regierung an alle betreffenden Regierungsstellen Anweisung, die religiösen Institutionen schärfer zu überwachen. Die Klöster wurden strengeren Restriktionen als je zuvor unterworfen. Im Zuge der Kampagne wurden am 15. Juli 30 Mönche aus dem Tsuglhakhang in Lhasa hinausgeworfen.

Die von der chinesischen Regierung in ihrem am 22. Juni 2000 veröffentlichten Weißbuch über tibetische Kultur aufgestellten Behauptungen stehen in krassem Widerspruch zu der Realität der restriktiven Religionspolitik, welche die Rechte des tibetischen Volkes in grober Weise verletzt. Die Disziplinar- und Inspektions-Kommission der Stadt Lhasa beschloß bei ihrer Hauptversammlung vom 15. bis 17. März, daß es der Bevölkerung von nun an verboten sei, religiöse Überzeugen zu hegen, den Dalai Lama als ein erleuchtetes Wesen zu betrachten, ihre Kinder in die vom Dalai Lama betriebenen Schulen zu senden und dem Pfad der Dalai Clique zu folgen. Alle diejenigen, welche die gesetzlichen Verordnungen übertreten, würden nach genauer Untersuchung schweren Strafen unterworfen.

Die Chinesen haben es besonders auf die religiösen Institutionen abgesehen. Seit dem Einsetzen der Hart-Durchgreif-Kampagne 1996 wurden bis zum Juni 2000 unserer Kenntnis nach 11.847 Mönche und Nonnen aus ihren Klöstern vertrieben und mindestens 565 Verhaftungen von uns verzeichnet.

Teil 2

Massenausweisung aus dem Haupttempel Lhasas

Einer von Voice of America am 23. Juli 2000 gesendeten Nachricht zufolge wiesen die Regionalbehörden am 15. Juli 30 Mönche aus dem Tsuglhakhang in Lhasa aus. Zuverlässige Quellen beschreiben, wie die betreffenden Lokalbehörden am 15. Juli mahnten, daß die religiösen Institutionen in und um Lhasa unbedingt stärker kontrolliert werden müßten. Den ausgestoßenen Mönchen wurde verboten, in Lhasa oder ihren Heimatdörfern irgendwelchen religiösen Praktiken nachzugehen.

Von der Einführung dieser radikalen Politik, welche die gänzliche Auslöschung der tibetischen Rasse und Religion zum Ziel hat, sind die Klöster und anderen Einrichtungen besonders betroffen. Mönchen und Nonnen in Tibet wird ihr Recht auf ihren Glauben und ihre Religion verweigert und sie können ihrer religiösen Berufung nicht mehr nachgehen. Verschiedene Maßnahmen, welche die Klöster ihrer Mönche und Nonnen entledigen sollen, wurden in allen Teilen Tibets getroffen, womit nur noch eine Handvoll Betreuer dieser Institutionen zurückbleibt.

Teil 3

Schließung von Kloster Akyong Yarthang

Das Kloster Akyong wurde am 13. November 1999 von einem chinesischen "Arbeitsteam" für geschlossen erklärt. Diese Schließung erfolgte, weil die Mönche während der dreimaligen Anwesenheit dieses "Arbeitsteams" konstant der "patriotischen Umerziehung" fernblieben. Die Kader drohten den Mönchen sowie den Angestellten der Kreis- und Gemeindeämter mit Verhaftung und Gehaltsminderung, falls dieser Boykott nicht aufhöre. Chokun Pal, dem Vertreter dieses Klosters, wurde von dem Amt für Religiöse Angelegenheiten der Tibetisch Autonomen Präfektur Golok erklärt, er müsse jede nur mögliche Anstrengung unternehmen, um die Mönche zum Akzeptieren der Umerziehung zu bewegen. Auch der letzte Versuch, dem Kloster für die erfolgreiche Ergebnis der Kampagne eine Belohnung in Aussicht zu stellen, schlug fehl. Die Mönche blieben hartnäckig bei ihrem Standpunkt. Das Arbeitsteam fand bei seinem dreimaligen Erscheinen nur ein verlassenes Kloster vor.

Akyong Kloster hat eine 500 Jahre zurückreichende Geschichte. Das Kloster wurde während der berüchtigten Kulturrevolution, die 10 Jahre von 1966-76 dauerte, völlig zerstört. Ab 1980 stellte die lokale Bevölkerung das Kloster in seiner ursprünglichen Form und Schönheit wieder her. Die Chinesen leisteten dazu überhaupt keine finanzielle oder anderweitige Hilfe. Vor dem Eintreffen des Arbeitsteams in Kreis Pema lebten etwa 60 Mönche in dem Kloster.

Das aus 7 Kadern des Kreises Pema und der Gemeinde Chaktri bestehende Arbeitsteam erschien zum ersten Mal am 17. Juni 1999. Bei einer Versammlung der Dorfbewohner wurden die Pläne für die Umerziehung der Mönche, die eine Woche dauern sollte, angekündigt. Die Kader befahlen den Eltern, ihre Söhne zu ermahnen, den Anweisungen der Umerzieher zu folgen. Falls der gewünschte Erfolg in einer Woche nicht eintrete, könnten die Umerziehungsmaßnahmen auch ein Jahr lang weitergehen. Jeder Mönch, der politisch aktiv sei, würde verhaftet und eingesperrt, drohten sie. Als die Kader fünf Tage später das Kloster Akyong aufsuchten, um die Mönche zu indoktrinieren, fanden sie das Kloster leer vor. Nach zwei Tagen zogen sie wieder ab.

Bei ihrem zweiten Besuch 10 Tage später riefen die Kader den Zuchtmeister und andere verantwortliche Mönche des Klosters zu einer Sitzung. Die Kader machten ihnen schwere Vorwürfe und befahlen ihnen, dafür zu sorgen, daß die Mönche dem Umerziehungskurs folgen. Die Mönche weigerten sich jedoch und erklärten, daß eine Diffamierung des Dalai Lama gegen das grundlegende Prinzip der Zufluchtnahme im Buddhismus und gegen das Mönchstum an sich verstoße.

Am 1. November 1999 setzte die Verwaltung der Golok TAP das Kloster in Kenntnis, daß ein Arbeitsteam aus 30 Kadern für eine Woche kommen würde. Den Mönchen wurde mit der Schließung des Klosters gedroht, falls sie sich der Order widersetzten. Zum Verdruß der Offiziellen war keiner der Mönche da, als sie erschienen, nicht einmal der Verwalter. Nach 7 Tagen zogen sie ab und erklärten das Kloster am 13. November 1999 für geschlossen.

Der 35-jährige Thubwang, der über die Umstände berichtete, die zur Schließung führten, war seit seinem 18. Lebensjahr Mönch des Klosters Akyong. Er stammt aus einer Bauernfamilie und hat zwei Brüder und eine Schwester. Als Kind besuchte er die Grundschule von Yarthang und half dann seinen Eltern auf dem Bauernhof. Im Juli 2000 floh Thubwang ins Exil.

Teil 4

Politische Unruhe in Kreis Sog, 12 Festnahmen

Wie ein kürzlicher Ankömmling aus Kreis Sog erzählte, wurden im März 8 Personen verhaftet, die politischer Umtriebe beschuldigt werden. Weiterer Information aus einer anderen Quelle zufolge wurden zu einem späteren Zeitpunkt vier Personen verhaftet. Fünf der acht zuerst Verhafteten sind Mönche aus dem Kloster Sog Tsendhen und die anderen Laien aus dem Landkreis. In der Nacht des 17. März 2000 wurden Yeshi Tenzin, 32, und Gyurmey, 28, verhaftet, mißhandelt und gezwungen, die Namen ihrer "Komplizen" zu enthüllen. Zwei Tage später wurden die Mönche Tenzin Chowang, 63, Namgyal Sopa, 26, und noch einer, sowie drei Laien, Diru Dadak, 36, Tsering Lhagon, 40, und Serpa Sichoe, 80, festgenommen. Die acht wurden politischer Aktivitäten verdächtigt und mit früheren Dissens-Bekundungen in Sog in Zusammenhang gebracht. Sie kamen zuerst in die PSB Station von Kreis Sog, und wurden später nach Lhasa verlegt, wo sie von dem Staatssicherheitsbüro der TAR in Verwahrsam genommen wurden. Seit diesen Zeitpunkt wurden sie nicht mehr gesehen, noch wurde ihren Angehörigen erlaubt, sie zu besuchen.

Einer anderen Quelle zufolge wurden vier Personen, Khedrup, Thupten Tsering, Dhra Thutop und Yeshi, aus dem Dorf No. 3 der Gemeinde Yong Nag verhaftet. Es könnte sein, daß sie mit den zuvor genannten Personen im Zusammenhang stehen. Khedrup wird, wie berichtet, im Sangyip Gefängnis festgehalten, während Thupten Tsering der jüngere Bruder von Tenzin Chowang ist.

Der Kreis Sog und insbesondere das Kloster Sog Tsendhen sind bekannt für ihren Widerstandsgeist, darunter auch die Bombendetonation vom 23. Oktober 1995. Der Hauptschuldige entging der Festnahme, aber andere, die politisch aktiv waren, bekamen ihre Strafe. Drei der zuvor genannten Einwohner von Sog waren bereits 1997 inhaftiert. Tenzin Chowang wurde am 20. Juni 1997 verhaftet und Serpa Sichoe am 23. August 1997, beide auf Verdacht, mit der Bombenexplosion im Zusammenhang zu stehen. In der Haft wurden sie schwer mißhandelt, und weil beide bereits in vorgerücktem Alter sind, wurde ihr Zustand so kritisch, daß sie nach 6 Monaten entlassen werden mußten. Namgyal Soepa wurde in der Nacht des 18. August 1997 aus denselben Gründen festgenommen.

1998 wurde eine große Militärkaserne in dem Weideland der Gemeinde Yakla in Kreis Sog gebaut. Anfänglich meinten die Bewohner der Gegend, es sei eine Schule. Nach Fertigstellung des Gebäudes wurden jedoch Kräfte der PLA dort stationiert. Am Tag der Einweihung 1999 verkündete der Verwaltungschef von Kreis Sog (xian zhang), daß diese Kaserne speziell zum Schutz der Bevölkerung von Sog gebaut worden sei und daß 1.000 PLA Soldaten extra zu diesem Zweck aus China hergebracht worden seien. Demselben Berichterstatter zufolge ist auch in dem Kloster Sog Tsenden PLA Personal stationiert. Die Mönche sind strenger Überwachung unterworfen und können sich nicht frei bewegen. Diese Restriktionen erstrecken sich auch auf die Laienbevölkerung.

Das TCHRD erfuhr weiterhin von der Verhaftung des 28-jährigen Lobsang Lhundup, ebenfalls aus dem Kloster Sog Tsendhen, der von einem Arbeitsteam, das dort die patriotische Umerziehung vornahm, im Juli 1998 festgenommen wurde. Cassetten mit Reden des Dalai Lama wurden in seinem Zimmer gefunden. Lhundup kam zuerst in das Gefängnis von Nagchu und wurde später mit einem Hafturteil von 2 Jahren nach Drapchi verlegt.

Teil 5

Drei Verhaftungen und drei Ausweisungen in Kloster Dozong

Drei Mönche aus dem Kloster Dozong wurden, wie verlautet, im Zusammenhang mit der patriotischen Umerziehung, die dort im Juni 1998 mit der Ankunft eines 15-köpfigen Arbeitsteams begann, festgenommen, und drei weitere wurden ausgewiesen. Der Befehl der Kader, Erklärungen zur Abkehr vom Dalai Lama zu unterschreiben, stieß auf heftigen Widerstand der Mönche und führte zur Verhaftung von Phurbu, 22, Kangchup Dakpa, 23, und Khedup Phakchok, 21. Einigen Mönchen wurden Ohrfeigen versetzt und 60 wurden auf diese Festnahmen hin einer 2-wöchigen Indoktrinierung unterzogen. Auf die Order hin, daß Novizen unter 18 das Kloster zu verlassen hätten, wurden ebenfalls drei hinausgeworfen, aber ihre Namen sind nicht bekannt. All dies wurde von Gaden, einem 21-jährigen, ehemaligen Mönch von Kloster Dozong in der Gemeinde Chel, Kreis Pema, Region Chamdo, berichtet.

Die Umerziehung in Kloster Dozong bestand aus regelmäßigen Versammlungen, Verteilung von Broschüren und politischem Unterricht, der die Mönche speziell zur Verdammung der "separatistischen Dalai-Kräfte" und zur Gutheißung der chinesischen Regierungspolitik erziehen sollte. Die drei Mönche wurden verhaftet, als sie den Kadern wegen der Unterschrift der Verpflichtung ihre Meinung sagten. Die Kader ließen daraufhin die drei Mönche von den Polizisten des Kreis-PSB festnehmen.

Mindestens 100 zumeist jüngere Mönche von Kloster Dozong wurden dann zusammengerufen und aufgefordert das Tun der drei verhafteten zu tadeln. Zwei Wochen lang wurden sie spezieller Indoktrinierung unterzogen. Die Kader des Arbeitsteams gaben den Mönchen vor ihrer Abreise strenge Anweisungen, das politische Studium bis zu ihrem nächsten Kommen fortzusetzen.

Das Kloster Dozong wurde Anfang der Achtziger wieder aufgebaut, nachdem es in der Kulturrevolution abgebrochen wurde. Dort wohnen etwa 120, meistens jüngere Mönche. Gaden, der 1998 dort eintrat, ging im ganzen 8 Jahre zur Schule, die ersten 7 Jahre in einer Regierungsschule in Chel und ein Jahr in der Mittelschule von Kreis Pema. Wegen der Einschränkung seiner religiösen Freiheit floh er auf den Besuch des Arbeitsteams hin aus Tibet und erreichte Indien am 23. Juli.

Teil 6

Ehemaliger Mündel der Gyatso Waisenschule erreicht Indien

Wangchen Choegyal ist ein 12-jähriger Waise aus der Ortschaft Taksi in Kreis Jondha der Region Chamdo. Als er drei Jahre alt war, starb seine Mutter im Kindbett. Ein Jahr später kam sein Vater in einem Verkehrsunfall ums Leben. 1993 schickte sein Onkel seinen Bruder und seine Schwester in Exil, weil er zu arm war, um für alle Kinder zu sorgen. Bis zu seinem 7. Lebensjahr blieb Choegyal bei seinem Onkel; 1996 wurde er in die Gyatso Waisenschule aufgenommen. Er sagt, daß er sich in dieser Schule sehr wohl fühlte, bis sie in diesem Jahr geschlossen wurde.

"Nach der Schließung der Schule kamen Beamte von der Zivilverwaltung, um uns in Gruppen zu teilen. Diejenigen, die Verwandte in Lhasa haben, wurden diesen zur Obhut übergeben, während 20 von uns, die niemand in Lhasa hatten, nach Chamdo gebracht wurden. Ein Bus fuhr uns von Lhasa nach Nagchu, und dann wurden wir in einem LKW nach Chamdo transportiert. Und dort blieben neun von uns übrig, die keine Bleibe fanden. So wurden wir nach Lhasa zurückgebracht. Schließlich fand ich mich mit einem achtjährigen Jungen namens Dhondup Gyaltsen zusammen. Irgendwie fanden die Behörden heraus, daß ich einen Onkel in Ramoche hatte. So setzten sie uns beide in eine Rikscha und befahlen dem Fahrer, uns nach Ramoche zu bringen. Es war so lange her, daß ich dort gewesen war, und ich hatte überhaupt keine Ahnung, wo ich nach meinem Onkel suchen sollte. So übernachtete ich bei den Verwandten Gyaltsens. Einige Tage später hatten diese herausgefunden, wo mein Onkel wohnt."

Eines Tages, als Choegyal mit seinem Onkel den Umrundungsweg am Barkhor ging, sah er wie Choezom (13) aus Derge in Kham, Tsesong (7) und Norzom bettelten, die alle aus dem selben Waisenhaus wie er sind. Andere ehemalige Kameraden sah er getrocknete Kerne verkaufen oder in Lhasa herumlungern.

Wangchen berichtet, daß im Oktober 1999 etwa 10 Beamte in Zivil in das Gyatso Waisenhaus kamen, welche die Schule bewachten und den Kindern verboten, auszugehen. Diese im Mai 1996 gegründete Schule versorgte etwa 60 Waisenkinder. Von Bhangri Tsamtrul Rinpoche gegründet, wurde die Schule durch Spenden aus dem Ausland finanziert. Es wurden die Fächer Tibetisch, Englisch, Chinesisch, Mathematik und Thangka Malen gelehrt. Die Beamten durchwühlten Rinpoches Haus und fanden angeblich Dokumente politischen Inhalts. Bhangri Tsamtrul Rinpoche, seine Frau Nyima Chodon und vier Angestellte wurden verhaftet. Diese vier Gadhe Gya (39), der Englischlehrer, Dawa Dhondup (35), der Tibetischlehrer, Gelek Nyima (30), der Lehrer für Thangka-Malen, und Dawa (30), der Chinesischlehrer, sollen inzwischen entlassen worden sein.

Choegyals Onkel hatte nicht die Mittel, für seinen Neffen zu sorgen, weshalb dieser beschloß ins Exil zu fliehen. Er ging 26 Tage über den Himalaya und erreichte Dharamsala Anfang Juli.

Teil 7

Zeugnis eines ehemaligen politischen Gefangenen

Drupkyi Nyima ist ein 23-jähriger Mönch aus dem Kloster Dingpuche, der Dharamsala am 23. Juli 2000 erreichte. Ursprünglich aus der Region Lhoka stammend, verbrachte Nyima 1995 zusammen mit Pema Wangyal ein Jahr in der Haftanstalt von Tsethang. Im Februar des Jahres hatten Nyima, Thupten Tenzin (22) und Pema Wangyal (21) aus diesem Kloster einige Unabhängigkeitsplakate gemalt und diese in der Gemeinde Kyiru, sogar am Tor des PSB Gebäudes und des Reti Khang, wo wichtige Meetings stattfanden, aufgehängt. Zwei Wochen danach kamen PSB Polizisten in das Kloster Dingpuche und verglichen die Handschriften der Insassen mit jenen der Plakate. Am 18. März wurde Dhondup verhaftet und in das Tsethang PSB Haftzentrum eingeschlossen. Zwei Wochen später wurden die anderen verhaftet und in das Haftzentrum von Lhoka gebracht.

In der Lhoka Haftanstalt begannen die PSB Beamten mit den Vernehmungen. Nyima berichtet, daß er zwar nicht elektrisch schockiert wurde, aber Schläge und Stöße an der Tagesordnung gewesen seien. Nach viereinhalb Monaten legte das Volksgericht von Lhoka ihre Haftstrafen ohne jeglichen Prozeß fest. Tsewang wurde zu vier Jahren Gefängnis und zwei Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt. Nach einem Monat wurde er in das Drapchi Gefängnis verlegt. Nyima und Wangyal mußten ein Jahr in Gefangenschaft bleiben. Sie wurden in Tsethang gelassen, weil sie schon die Hälfte der Strafe hinter sich hatten. In Tsethang mußten sie Gemüse ziehen, die Polizeifahrzeuge waschen und Brennholz hacken.

Das Tsethang Haftzentrum ist das größte in der Region Lhoka. Es hat vier Einheiten mit je 7-8 Zellen. In den größten Zellen können 6 Gefangene untergebracht werden, während die kleineren nur 3 fassen. Alle ernsten Kriminalfälle in Lhoka kommen in dieses Haftzentrum. Es gibt etwa 9 Aufseher, und Soldaten der People's Armed Police bewachen die Gefängnistore. Die Mehrzahl der Insassen (etwa 50) sind Tibeter. Im März wurden die beiden entlassen. Es wurde ihnen verboten, einem anderen Kloster beizutreten und sie wurden von nun an an ihrer freien Bewegung gehindert und streng kontrolliert.

Am 14. Juni wurde Nyima von der chinesischen Grenzpolizei in Dhingri Dhamar gestellt. Einen Tag hielt ihn die Gongkar Militärpolizei in Gewahrsam, wo er schwer geschlagen wurde. Dann wurde er dem PSB von Kreis Dhingri übergeben und dort 10 Tage festgehalten. Nachdem sie 50 Yuan von ihm konfiszierten, ließen sie ihn laufen und befahlen ihm nach Lhasa zurückzukehren. Nyima meint, daß diese Polizisten nicht wußten, wer er war. Statt nach Lhasa zu gehen, machte sich Nyima jedoch auf den Weg nach Nepal und erreichte nach 13 Tagen Marsch Kathmandu.

Nyima stammt aus der Ortschaft Kyiru in Kreis Dranang, Region Lhoka. Drei Jahre lang ging er zur mangtsuk Schule und ein weiteres Jahr zur shungtsuk Schule. Im Juli 1994 trat Nyima in das Kloster Dingpuche ein, wo es damals 50 Mönche gab.

Teil 8

Bauernehepaar eingesperrt wegen Anbringens von Plakaten

Der 33-jährige Tsering Choephel und die 31-jährige Chungdak sind Bauern aus der Autonomen Region Tibet. Im Juni 1995 brachten sie Unabhängigkeitsposter an den Toren der Regierungsämter ihrer Gegend an. Das PSB stellte Nachforschungen an, die zu der Festnahme von Tsering Choephel und Chungdak führten. Die beiden wurden aus ihrem Haus geholt und vier Monate lang in dem PSB Haftzentrum der Region Lhoka eingesperrt. Dort wurden beide intensiv unter Mißhandlung vernommen.

Ende 1995 verurteilte das Mittlere Volksgericht der Region Lhoka Tsering Chophel zu vier Jahren Gefängnis und Chungdak zu drei Jahren. Sie waren noch 20 Tage in diesem Haftzentrum, ehe sie in das Drapchi Gefängnis nach Lhasa verlegt wurden. Dort eingesperrt zu sein, bedeutet Zwangsarbeit und Zwangstraining, Züchtigung und unmenschliche Mißhandlung durch die Gefängniswachen. Tsering Choephel und Chungdak machten bis zu ihrer Entlassung 1998 bzw. 1999 ungenanntes Leid in diesem Gefängnis durch.

Teil 9

Erbärmliche Situation eines tibetischen Landmannes

Chega erreichte mit seiner Frau und drei Kindern Dharamsala am 4. Juli. Er ist ein 32-jähriger Viehhirte aus einer Tibetisch Autonomen Präfektur der Provinz Sichuan. Er floh ins Exil, um den Segen des Dalai Lama zu empfangen und seine Kinder in Schulen in Indien unterzubringen, sowie mit dem Ziel, im Ausland über die Lage in Tibet reden zu können. Er beschreibt, daß es in seinem Dorf keine Schule gebe. Obwohl es in dem Gemeindezentrum eine Schule gebe, sei diese zu teuer und der Unterricht dort nicht angemessen und chinesisch-orientiert. Er meinte, diese seien nur dem Namen nach Schulen. Die Schulen, die es in dem Landkreis gibt, seien speziell für Regierungsangestellte und chinesische Einwanderer konzipiert. Diese Schulen seien in jeder Hinsicht viel besser als seine Dorfschule. Nomadenkinder bekommen kaum Gelegenheit, diese Schulen zu besuchen, weil sie nicht den erforderlichen Notendurchschnitt erzielen. Sein Dorf hat 300 Haushalte, von denen nur ein paar Leute gebildet sind, sogar die Dorfvorsteher sind meistens des Schreibens und Lesens unkundig.

Bei den Wahlen in Chegas Dorf werden die Kandidaten schon im vornherein bestimmt, und die Leute haben keine Stimme bei der Wahl: "Wenn eine Person gut und fähig ist und die Leute sie wählen, dann wird sie dennoch von der Gemeinde- und Kreisbehörde verworfen und an ihrer statt ein anderer Kandidat ernannt".

Chega ging niemals zur Schule. Als Nomaden besitzt seine Familie 10 Stück Vieh, einen Yak, fünf Dri und 4 Pferde. Vor 15 Jahren hatte sie noch 17 Yaks und Dri und 30-40 Schafe, aber weil ihnen immer weniger Weideland zur Verfügung steht, dezimierte sich ihr Viehbestand allmählich. Er meint daß diese Verminderung des Weidelandes der übermäßigen Ausbeutung der Bodenschätze wie Gold und Silber in der Gemeinde Gama zuzuschreiben ist. Obwohl die Anzahl der Tiere geringer ist, werden allerlei Steuern auf sie erhoben, sowie Abgaben für Grund und Boden, für Gesundheit, Butter, Tierhäute, Fleisch und die Medizinpflanze yartsa gunbhu. Jeder Haushalt muß ein Yuan Landsteuer und 10 Yuan pro Kopf Gesundheitsabgabe im Jahr entrichten; weiterhin zwei Yuan pro Stück Vieh, 5-6 gyama Fleisch für jedes Tier, ein gyama Butter, sowie eine Tierhaut pro Jahr. Darüber hinaus mußte Chega jedes Jahr 40 khel getrockneten Mist an den Staat abliefern.

Die verheirateten Frauen in seinem Dorf dürfen nicht mehr als zwei Kinder bekommen. Wenn sie gegen diese Verordnung verstoßen, werden sie mit 2-3.000 Yuan Strafe belegt. Die Frauen müssen in die nächste Kleinstadt gehen, um sich sterilisieren zu lassen.

Teil 10

Ein ehemaliger politischer Gefangener berichtet

Kalsang Dorjee erreichte Dharamsala am 23. Juli 2000, nachdem er eineinhalb Monate unterwegs war. Am 5. März 1988, nach dem Ende des Monlam Chenmo Festes, beteiligte sich Kalsang Dorjee (34) zusammen mit Hunderten von Leuten an einer friedlichen Demonstration in Lhasa. Kalsang geriet in ein Handgemenge mit drei chinesischen Sicherheitskräften, in dem er einem von ihnen einige Zähne ausschlug. Am 7. März 1988 um Mitternacht umstellten drei Militärfahrzeuge voller PAP Soldaten sein Haus und verhafteten ihn. Zuerst kam er in die Polizeistation am Barkhor, wo er schrecklich von dem Chinesen, dessen Zähne ausgebrochen waren, und zwanzig anderen PAP Milizen geschlagen wurde. Er trug schwere Verletzungen davon und spuckte Blut.

Später kam Kalsang in das Outridu Gefängnis, wo er 12 Tage gehalten wurde. In dieser Zeit wurde er fünf Mal vernommen und dabei mit dem Elektroschlagstock traktiert und schwer mit einer Eisenstange auf den Kopf getroffen. Wegen dieser brutalen Mißhandlungen und der Hungerkost in Outridu verlor er mehrere Male das Bewußtsein.

Später wurde Kalsang zusammen mit 60 anderen Häftlingen nach Seitru verlegt. Und einen Tag später kam er mit 50 anderen Häftlingen in die Haftanstalt Gutsa. Dort wurde er in der Einheit 1, Zelle 5 zusammen mit dem 34-jährigen Tsering Dhondup aus dem Kloster Nechung, dem Mönch Tsering (29) aus Drepung und dem Mönch Yeshi Lodroe (60) ebenfalls aus Drepung eingesperrt. Er wurde über sechs Monate lang immer wieder vernommen. Jedes Verhör dauerte drei Stunden. Sie fragten ihn über seinen persönlichen Hintergrund, die Gründe für seine Teilnahme an den Protesten und seine Gefährten.

Kalsang wurde ursprünglich zu 2 Jahren Gefangenschaft verurteilt, aber durch den Einsatz des früheren Panchen Lama wurde Kalsang am 10. November 1988 zusammen mit 84 weiteren Häftlingen aus dem Gutsa Gefängnis entlassen. Im Dezember bekam er durch den Einfluß seines Cousins, eines Regierungsangestellten, einen Job in einer Bank in Dram an der Tibet-Nepal-Grenze. 1990 absolvierte er einen Kurs in Bankwesen in der chinesischen Provinz Haibei, wonach er ein College-Zertifikat erhielt. In Dram war er an dem Schalter für Devisenumtausch tätig, wo er in den Besitz vieler ihn belastender Dokumente und Cassetten mit Reden des Dalai Lama gelangte. Kalsang behauptet, daß er diese Cassetten den Grenzschutzsoldaten entwendete, die sie von Rückkehrern nach Tibet konfisziert hatten. Kalsang trug diese Dokumente nach Lhasa, wo er offizielle Geschäfte zu erledigen hatte.

Im April 1992 wurde er in die Bank of China in Lhasa versetzt, wo er in der Kreditabteilung tätig war. Im Juli 1993 wurde er wieder wegen Verteilens von Audio- und Videocassetten mit Reden des Dalai Lama, der zukünftigen Verfassung Tibets und verschiedener anderer Dokumente aus Indien verhaftet. Mehrere Beamte des Spionagedienstes des PSB nahmen ihn an seinem Arbeitsplatz in der Bank of China fest.

Er kam zuerst in das Public Security Bureau der TAR, und in selbiger Nacht wurde er an einen unbekannten Ort in Lhasa verlegt, wo er 10 Tage festgehalten wurde, während derer er intensiv vernommen wurde, wer seine Komplizen seien. Die Vernehmer versuchten, auf jede nur mögliche Weise dies aus ihm herauszubekommen, darunter auch durch Locken mit gutem Essen und Zigaretten. Kalsang blieb jedoch bei seiner ursprünglichen Version, daß er sich selbst die Dokumente beschafft hätte. Da die Vernehmer nichts aus ihm herausbringen konnten, entließen sie ihn schließlich unter der Bedingung, daß er das Tun einer gewissen Person, die unter dem Verdacht politischer Betätigung stand, beobachten und dem PSB jeden Samstag berichten sollte. Diese Person wurde ihrerseits beauftragt, das Verhalten von Kalsang zu beobachten. Aber da sie sich beide kannten, berichteten sie überhaupt nichts. Da zu befürchten war, daß sie bald verhaftet würden, verließ Kalsang mit seinem Freund und einem Mönch im Dezember 1993 Lhasa.

Sie reisten nach Ngari, aber unterwegs erkrankte Kalsang und spuckte Blut. So war er gezwungen, umzukehren und seine Freunde weiterziehen zu lassen. In einem Dorf in Ngari wurde er einige Tage von einem lokalen Armeeposten festgehalten. Er kehrte dann nach Lhasa zurück, wo er sich zur Behandlung in das Krankenhaus für tibetische Medizin begab und dort 3 Monate blieb. Im Mai 1994 nahmen ihn die Sicherheitskräfte der TAR wieder fest und stellten ihn wegen seines Fluchtversuches zur Rede. Kalsang wurde ein Jahr unter Hausarrest gestellt und von seinem Job bei der Bank hinausgeworfen.

Leute, die irgendwie politisch aktiv sind, werden gewöhnlich von ihrem Arbeitsplatz verjagt und haben keine Möglichkeit mehr, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sogar die Ausweispapiere wie die "Bürgerkarte" werden ihnen abgenommen, und sie haben kein Recht mehr auf öffentliche Dienstleistungen und Vertretung. Darüber hinaus werden auch ihre Verwandten und Angehörigen, die in Regierungsämtern tätig sind, ständig überwacht und laufen Gefahr, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Kalsang, der diesen Zustand nicht mehr aushalten konnte, verließ schließlich am 9. Juni 2000 Lhasa und erreichte Dharamsala nach eineinhalb Monaten.

Kalsang wohnte bei seinem Vater und seiner älteren Schwester. Fünf Jahre ging er in Lhasa zur Grundschule und danach 4 Jahre zur Mittelschule. Nach deren Abschluß wurde er zum Lehrer in einer Grundschule von Nagchu bestimmt, aber wegen familiärer Probleme konnte er die Stelle nicht antreten. 1984 arbeitete er in einem Laden in dem Tromsekhang Markt von Lhasa und gleichzeitig als Bürosekretär des lokalen Bürgerkomitees. Er war auch Mitglied der lokalen Miliz. 1986 wurde er zu einer sechsmonatigen militärischen Ausbildung auf die Tsel-Gungthang Militärschule entsandt.

Teil 11

Portrait: Nonne durch die brutale, unmenschliche Folter zum Wahnsinn getrieben

Jangchup Dolma, eine 21-jährige Nonne aus dem Kloster Yangchen Galo, soll infolge der Mißhandlungen, die sie im Gefängnis erlitt, den Verstand verloren haben. Dolma beteiligte sich am 28. Februar 1995 zusammen mit ihrer Cousine Rinchen Palmo (21) an einer Demonstration in der Barkhor-Gegend von Lhasa. Vier Sicherheitskräfte des PSB nahmen die zwei Nonnen sofort fest. Auf dem Weg zu der Gutsa Haftanstalt wurden sie gestoßen und geprügelt. Fünf Monate waren sie im ganzen in Gutsa, wo sie schwer mißhandelt und mit Elektroschocks traktiert wurden.

Im Juli wurden ihnen von den Sanitätern des Volkshospitals je 150 ml Blut abgenommen, wobei ihnen erklärt wurde, daß sie dieses Blut zur Deckung der Kosten ihrer Verköstigung in der Gutsa Haftanstalt spenden müßten. Während der Zeit in Gutsa durften sie von niemandem besucht werden. Jangchub Dolma erkrankte wegen der grausamen Behandlung am Herzen.

Im Juni 1995 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Lhasa Dolma und Palmo zu fünf Jahren Gefängnis mit Verlust der politischen Rechte auf zwei Jahre. Zusammen mit 58 anderen Nonnen wurden Dolma und Palmo am 30. Juli 1995 nach Drapchi verlegt. Im ganzen kamen 60 Nonnen in die neue Einheit No. 3 für Frauen. Vom zweiten Tag an wurden die Nonnen um 4 Uhr morgens geweckt und zu einer Stunde Militärdrill gezwungen, wonach sie ein tingmo (Dampfweckchen) und schwarzen Tee bekamen. Die Routine für die nächsten drei Monate war, daß sie von 8.30 morgens bis 8 Uhr abends in der Sonne stehen mußten. Dabei mußten sie mit zwischen den Beinen und unter die Arme geklemmten Zeitungen unbeweglich dastehen. Außerdem mußten sie eine Wasserschüssel auf dem Kopf balancieren. Sobald sie eine Bewegung machten, wurden sie geschlagen und manchmal wurden sie auch mit heißem Wasser übergossen. Dazu wurden sie mit Elektroschockgeräten traktiert. Viele Nonnen fielen bei dieser Tortur bewußtlos um, aber keine durfte einer anderen helfen. Zuweilen wurden sie auch bis Mitternacht so stehen gelassen. Gelegentlich gab es 10-minütige Pausen, um zur Toilette zu gehen, aber diese waren willkürlich und selten.

Bei einem speziellen Militärdrill im November 1995 wurden die Nonnen gezwungen, von 8.30 morgens bis 12 Uhr mittags und wieder von 2 bis 6.30 nachmittags, und gelegentlich gar mit 1 Uhr nachts zu rennen. Oft mußten sie auch etwa 7 Minuten lang mit horizontal ausgestrecktem Bein einen Ziegelstein auf ihrem Fuß balancieren. Es gab auch noch andere Arten der Peinigung wie von 7 Uhr abends bis 2 Uhr nachts im Winter barfuß im kalten Wasser zu stehen. Die Kost war auch sehr mager. Derartige Mißhandlungen gingen bis zum Dezember 1995 weiter. Schließlich entwickelte Dolma Magengeschwüre und ein Nierenleiden. Die Gefängniswachen nahmen sie besonders aufs Korn und bestraften sie selbst für Geringfügigkeiten sehr hart. Dolma wurde von all dem so erdrückt, daß sie schließlich den Verstand verlor.

Ab Dezember 1995 mußten die Nonnen dann in ihren Zellen Wolle verarbeiten. Jede Gefangene bekam eine tägliche Aufgabe von 4 sang Wolle, die sie fertig bringen mußte, so daß die Gefangenen sich gezwungen sahen, bis Mitternacht zu arbeiten. Am 20. Februar 1997 kam Rinchen Palmo in Einzelhaft, weil sie bei einer Versammlung im Gefängnis einen schlechten Eindruck auf die Leitung gemacht hatte. Dolma war so entsetzt darüber, daß sie die Gefängniswärter fragte. Deswegen wurde sie um sechs Uhr abends von den Wachen geholt und erst um Mitternacht in die Zelle zurückgebracht. Sie war sechs Stunden lang geschlagen worden.

Dolma geriet immer wieder in Bedrängnis wegen ihres unerschrockenen Benehmens, etwa, als sie sich über das schlechte Essen beklagte und sagte, es sei schimmelig. Im November 1997 mußte Dolma wieder zusammen mit 10 ihrer Zellengenossinnen barfuß im kalten Wasser stehen, weil sie Gebete rezitiert hatten. Dolma wurde zusätzlich geschlagen, weil sie das Gefängnispersonal auslachte.

Auf die Proteste in Drapchi vom Mai 1998 hin wurden Dolma und eine Reihe anderer Gefangener von Mai bis August drei Monate lang in Einzelhaft gesetzt. Während dieser Zeit wurde sie wieder mit Elektroschocks traktiert und mit Gummiseilen und Gürtelschnallen auf den Kopf und am ganzen Körper geschlagen. Dabei brach einer ihrer Finger. Im Oktober 1998 wurde ihr Hafturteil um 6 Jahre verlängert. Sie ist derzeit die weibliche Gefangene der Einheit 3 mit dem längsten Urteil.

Jangchup Dolma leidet an einer ganzen Reihe von gesundheitlichen Gebrechen, aber hat bisher keine ärztliche Betreuung erfahren.

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