Human Rights Update

März 2000

Inhalt
  1. Ehemaliger Häftling berichtet über Festnahmen
  2. Drayab Mönch wegen Plakatierens festgenommen
  3. Verhaftung von Mönchen von Pomda
  4. Überhöhte Steuern, Geburtenkontrolle, Benachteiligung in der Erziehung und Zwangsarbeit rauben den Tibetern ihre Rechte
  5. Umsiedlung
  6. Zwangsarbeit
  7. Agrarbesteuerung
  8. Konfiszierung von Tieren und Einschränkungen in der religiösen Ausübung
  9. Restriktionen in dem Nonnenkloster Gonlung
  10. Musiker wegen patriotischer Lieder verfolgt
  11. TV-Berichterstatterin verläßt Tibet
  12. Zum zweiten Mal verurteilt wegen finanzieller Unterstützung von Mitgefangenen
  13. Tod eines religiösen Gelehrten
Teil 1

Ehemaliger Häftling berichtet über Festnahmen

Gyaltsen Losel, 32, verbrachte sieben Monate in der Gutsa Haftanstalt in Lhasa. Bei seiner Ankunft in Dharamsala erzählte er von vier Tibetern, die im Mai 1999 verhaftet wurden: die Mönche Jampel Rinzin und Jigme aus dem Kloster Drepung und zwei junge Nonnen Ngawang Sangdrol und Jampa Dedron aus dem Kloster Michungri. Nach der Festnahme der zwei Mönche wurde nichts mehr über ihr weiteres Schicksal bekannt.

Die beiden Nonnen waren bereits früher wegen Teilnahme an Demonstrationen fünf Jahre eingesperrt gewesen. Sie wurden nun zum zweiten Mal festgenommen, weil sie Unabhängigkeitsplakate geklebt hatten. Im Mai 1999 wurden sie zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt und befinden sich derzeit in dem Trisam Haftzentrum, das auch Toelung Gefängnis genannt wird. Losels Aussage zufolge ist Jampa Dedron in kritischem Gesundheitszustand, der sofortiger ärztlicher Fürsorge bedarf.

Losel aus dem Kloster Drepung wurde wegen Beteiligung an der Demonstration vom 10. Dezember 1988 in Gutsa eingesperrt. Am Vorabend der Demonstration begab er sich um etwa 2 Uhr nachts zusammen mit 12 weiteren Mönchen aus demselben Kloster nach Lhasa. Am nächsten Tag begannen die Mönche von dem Tsepak Lhakhang aus Parolen zu rufen. Sogleich schlossen sich ihnen viele andere Mönche aus Kloster Sera und einige Nonnen an. Allmählich wuchs die Gruppe auf etwa 30 Personen an. Die Demonstranten trugen die verbotene tibetische Nationalflagge und verteilten Flugblätter, während sie gleichzeitig Freiheitsparolen riefen. Als sie den Barkhor erreichten, wurden sie von etwa 100 paramilitärischen Kräften eingekreist, die sofort auf sie zu schießen begannen. Ein Mönch namens Gyalpo (30) starb auf der Stelle, während der 32-jährige Anu aus Phenpo in den Bauch getroffen wurde. Viele andere erlitten Verletzungen.

Später wurden sieben Mönche aus dem Drepung Kloster, unter ihnen auch Gyaltsen Losel, verhaftet: Ngawang Shenphen (32), Ngawang Lhapchen (27), Yeshi Zoepa (32), Gen Dawa (55), Gen Tsering (50) und Lobsang Tenzin (27). Sie wurden in die lokale Polizeistation am Barkhor geschleppt und zuerst eine halbe Stunde lang schwer geschlagen. Danach wurden sie in einem Lastwagen in die Gutsa Haftanstalt gefahren, wo sie fünf Mal vernommen wurden. Sie wurden mit Fragen wie "Wer sagte euch, zu dem Protest zu gehen?", "Wer war sonst noch dabei?" bedrängt und gleichzeitig mit Gewehrkolben und Lederriemen geschlagen. Gen Tsering litt am meisten in diesen sieben Monaten in Gutsa. Außer ihm und Yeshi Zoepa, die fünf bzw. drei Jahre Haftstrafe bekamen, wurden die übrigen nach sieben Monaten wieder freigelassen.. Während diese zwei auf ihre Verurteilung in Gutsa warteten, wurden sie von zwei Polizisten des Public Security Bureau (PSB) eineinhalb Stunden lang vernommen und gleichzeitig mit Gewehrkolben gestoßen, mit elektrischen Viehstöcken an der Zunge elektrisiert und in den Magen getreten. Dann setzte man ihnen Helme auf, zwang sie, niederzuknien und schlug sie eine halbe Stunde lang auf den Kopf. Nach seiner Entlassung im Juni 1989 konnte Losel wieder in seinem Kloster wohnen, während seine zwei Freunde Ngawang Shenphen und Ngawang Lapchen in der Folge aus unbekanntem Grund abgewiesen wurden.

Losel blieb bis Januar 1999 in Drepung, wonach er sich auf die Flucht nach Indien begab. Derzeit wohnten etwa 600 Mönche in Drepung. 1997 wurde eine PSB Station in dem Kloster eingerichtet, so daß ständig Polizei dort anwesend ist. Ein Verwaltungskomitee von acht Personen, das direkt von den Chinesen ernannt wird, übt strenge Kontrolle über alle Klostergeschäfte aus. Freie Äußerung der Meinung ist streng verboten, ebenso das Abhören ausländischer Nachrichten. Weil Losel unter diesen Bedingungen nicht mehr weiter existieren konnte, sah er sich veranlaßt, nach Indien zu fliehen. Losel stammt aus einer Bauernfamilie aus dem Dorf Khesum in Distrikt Nyethong der Region Lhoka. Vom 8. bis zum 14. Lebensjahr ging er in die lokale Volksschule. Dann half er seinen Eltern bei der Feldarbeit, bis er mit 18 Jahren in Drepung eintrat. Er hat zwei ältere Schwestern und einen Bruder.

Teil 2

Drayab Mönch wegen Plakatierens festgenommen

Chemi Lobsang (22) ist aus dem Dorf Bondha, Ortschaft Chetan in Distrikt Drayab. Aus bäuerlichem Hintergrund stammend schloß er sich mit 14 Jahren dem Kloster Chamdo an, das ehemals über 1.200 Mönche beherbergte. Eines Nachts im Februar 1994 befestigte er Unabhängigkeitsplakate am Tor der Rundfunkstation von Chamdo, auf denen zu lesen war "Tibet ist unabhängig", "Lange lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama", "Tibeter müssen sich gegen die Chinesen erheben" und "Chinesen verschwindet aus Tibet". Am folgenden Tag kamen Sicherheitspolizisten des PSB aus dem Distriktzentrum in sein Kloster, um nach dem Urheber der Plakate zu forschen. Im Juli 1995 wechselte Lobsang in das Kloster Drayab Magon über. In Kloster Chamdo ließ er unter seiner Matratze eine von Hand gemalte tibetische Flagge, Plakate und Reden des Dalai Lama zurück. Nach seinem Weggang wurde das Zimmer von einer alten Frau aus Chamdo bezogen. Sie wußte nichts mit diesen Dokumenten, die Lobsangs Namen trugen, anzufangen und warf sie weg. Schließlich gelangten sie in die Hände des PSB. In Drayab brachte Lobsang in der Nacht des 7. Oktobers erneut Plakate an. Nun wurde seine Handschrift mit derjenigen der früheren Plakate verglichen und er wurde zusammen mit seinem Bruder Chakdor festgenommen. Zuerst wurde er in der PSB Station von Drayab eingeschlossen und am nächsten Tag in das Haftzentrum von Chamdo gebracht. Während der vier Monate in dieser Anstalt wurden Lobsang und einer seiner Freunde auf Hungerration gesetzt; zweimal wurde ihnen auch Blut entnommen.

Teil 3

Verhaftung von Mönchen von Pomda

Tinley Tenzin traf im März 2000 in Dharamsala ein. Der 17-jährige Tenzin aus Pomda in Distrikt Pashoe der Präfektur Chamdo wurde im August 1997 aus dem Kloster Pomda ausgewiesen, nur wenige Monate nach seinem Eintritt. Er kommt aus bäuerlichem Milieu und ging nur ein Jahr zur Schule. In seinem Dorf sind die Schulmöglichkeiten sehr schlecht, weshalb die Kinder zumeist ihren Eltern bei der Landwirtschaft helfen, statt zur Schule zu gehen. Als Tenzin 1997 in Kloster Pomda eintrat, gab es dort 120 Mönche. Im August 1997 kam ein "Arbeitsteam" von 10 Personen in das Kloster und führte die "patriotische Umerziehung" durch. Es verteilte Broschüren zur Kritik am Dalai Lama und zwang die Mönche, dieses Material zu studieren. Zwei Wochen später mußten sie einzeln diese Texte vorlesen. Lobsang Nyima wurde dies zu viel und er gab vor, er könne die tibetische Schrift nicht lesen. Als ihm daraufhin ein anderes Schriftstück, das in der den Mönchen geläufigen Schrift verfaßt war, vorlegt wurde, sagte Nyima, daß das Vorlesen solcher Texte gegen seine religiöse Überzeugung verstoße. Er sei nicht ins Kloster eingetreten, um seinen Glauben zu verleugnen. Die Kader des Arbeitsteams brachten Nyima unverzüglich zu der Ortsverwaltung von Pomda. Wenn die anderen Mönche lesen könnten, warum dann er nicht, wurde er gefragt. Unter Schlägen wurde ihm geboten, das Dokument vorzulesen. Nyima begann statt dessen vor den Kadern Unabhängigkeitsparolen zu rufen. Diese verstopften ihm schnell den Mund und fuhren ihn zu dem PSB Haftzentrum von Kreis Pashoe. Nach einem Monat in Pashoe, wo er schwer mißhandelt wurde, kam er in das Haftzentrum von Chamdo. Das Mittlere Volksgericht von Chamdo verurteilte Nyima zu 5 Jahren Haft. Danach wurde er nach Drapchi verlegt, wo er sich derzeit befindet.

Seit der Festnahme Nyimas wird das Kloster streng überwacht. Nach seiner Verurteilung wurden alle Zimmer der Mönche durchsucht. Bei Gedun Gyatso und Lobsang Tsering fand sich die verbotene tibetische Nationalflagge. Diese zwei Mönche wurden sofort in das Haftzentrum von Pashoe gebracht und einen Monat darauf in das PSB Haftzentrum von Chamdo. Lobsang Tsering wurde innerhalb eines Jahres entlassen, Gyatso wurde hingegen drei Jahre lang festgehalten. Tenzin meint, daß Gyatso inzwischen auch entlassen sein müsse.

Alle noch nicht 18-jährigen Mönche wurden ausgewiesen, darunter auch Tinley Tenzin. Die Kader erklärten weiterhin, daß die drei Verhafteten und alle jene, die in Indien gewesen sind, ebenfalls ausgestoßen werden. Auch wurden die Namen jener Mönche, die gerade nicht im Kloster waren, von der Liste gestrichen. Derzeit gibt es 90 Mönche in dem Kloster, von denen 60 Ausweise bekamen, die sie zum Bleiben im Kloster berechtigen. Die übrigen 30 sind auch noch im Kloster, aber bekamen ein Jahr Probezeit, um sich zu bewähren. Nach seiner Ausweisung war Tenzin zuerst eine Weile lang Landarbeiter in seinem Heimatdorf. Schließlich begab er sich im November 1999 auf die Flucht nach Indien.

Teil 4

Überhöhte Steuern, Geburtenkontrolle, Benachteiligung in der Erziehung und Zwangsarbeit rauben den Tibetern ihre Rechte

Getsen Gyatso ist ein 26-jähriger ehemaliger Mönch aus dem Kloster Lhabrang Tashikyil. Der aus dem Dorf Arig, Ortschaft Nyethang in Distrikt Malho, Provinz Tsognon, gebürtige Gyatso kam Ende November 1999 in Dharamsala an. Gyatsos Eltern sind Nomaden. 1986 wurde er Mönch in dem Kloster von Tsang und blieb dort bis 1993, als er in das Kloster Tashikyil von Lhabrang eintrat. Aber 1997 verließ er dieses wieder, um als Lehrer in einer Grundschule in dem Dorf Arig von Distrikt Malho zu arbeiten, wo er bis 1999 blieb. Gyatso wurde am 11. September 1997 von der Sicherheitspolizei der Khenlo TAP festgenommen, weil er einen 4 Seiten langen Aufsatz über die tibetische Kultur vor 1958 und die Lage der tibetischen Studenten geschrieben hatte, den er zur Veröffentlichung an eine Zeitschrift von Kheno namens Datse gab. Einen Tag vor seiner Verhaftung klebte Gyatso anläßlich eines religiösen Festes in dem Kloster Lhabrang Tashikyil Freiheitsplakate an. Aus Furcht vor Verhaftung zerstörte er alles Werkzeug, das er für diesen Aufsatz und zur Anfertigung der Plakate benutzt hatte. Gyatso beteuerte seine Unschuld, und weil kein Beweismaterial gefunden wurde, wurde er nach etwa 20 Tagen Festhaltung in dem Labrang Shahor Kreisgefängnis wieder entlassen.

Teil 5

Umsiedlung

Gyatso berichtet von massiver Umsiedelung in Gaosub der Gemeinde Tsojang, Provinz Tsognon. Chinesische Wanderarbeiter kamen hierher, um Kalkstein, Eisen und Gold abzubauen. Der Bergbau begann 1997 und die Pläne für den weiteren Abbau erstrecken sich auf 30 Jahre. Gyatso berichtete, daß annähernd 200 chinesische Arbeiter in der Ortschaft Tsojang der Provinz Tsognon angesiedelt wurden, die der Aufsicht der Achten Geologischen Sektion der Tsognon Provinz unterstehen.

Eine Reihe von Straßen werden gebaut, um Maschinen und Arbeiter zu der Abbaustätte zu bringen. In der Dorf Arig gibt es drei Grundschulen, und in der Ortschaft Nyethang wohnen annähernd 1.700 tibetische Familien, von denen die meisten Nomaden sind. Vor einigen Jahren wurde auch in dem Dorf Arig die Beschränkung auf zwei Kinder eingeführt.

In den drei Grundschulen in dem Dorf Arig wird in den Wintermonaten 400 Yuan pro Schüler und im Sommer wird 700 Yuan verlangt. In die Grundschule der Ortschaft Nyethang gehen annähernd 350 tibetische Schüler, die in chinesischer Geschichte, Politik und Gesetzeskunde unterrichtet werden. Das Unterrichtsmedium ist Tibetisch. Die örtlichen Funktionäre der Stadtverwaltung von Nyethang mustern regelmäßig den Lehrplan und nehmen die ihnen notwendig erscheinenden Korrekturen vor.

In einer anderen Grundschule in dem Dorf Arig gibt es nur 60 tibetische Schüler. Diese Schule wurde mit Spenden lokaler Tibeter gebaut, aber sie unterliegt dennoch der staatlichen Kontrolle. Es gibt drei tibetische Lehrer an dieser Schule, deren Gehälter von den Sponsoren ein wenig aufgebessert werden, so daß sie 700 Yuan monatlich verdienen.

In dem Dorf Arig erheben die örtlichen chinesischen Behörden regelmäßig Steuern von tibetischen Nomaden. Diese müssen 15 gyama Fleisch pro Schaf und etwa 25 gyama Fleisch pro Yak oder Dri (weibliches Yak) entrichten. Einige wohlhabende Nomaden besitzen um die 450 Schafe und um die 150 Yak oder Dri und sie müssen für jedes dieser Tiere Fleisch abliefern. Die Nomaden sammeln auch eine Heilpflanze namens yartsa-gunbu, aber auch hier müssen sie jedes Mal, wenn sie zum Sammeln gehen, 5 sang dieses Krautes abliefern. Gyatso verließ am 13. November sein Dorf und floh über Solokhumbhu nach Nepal.

Teil 6

Zwangsarbeit

Norbu Choephel ist ein 36-jähriger Bauer und Vater von vier Kindern aus der Ortschaft Pasong, Kreis Dhingri in der Präfektur Shigatse, der Kathmandu am 19. Dezember erreichte. In dem Dorf Tsoten, Kreis Dhingri, besitzt er 11 rukhel Grund und Boden. Seine Familie produziert jährlich etwa 600 gyama an Getreide, das sie jedoch gänzlich für ihren eigenen Bedarf braucht. Selbst dann reicht es nur für 3 Monate und danach muß sie von anderen Bauern Getreide borgen, um überleben zu können. Seit 1989 leidet sie jedes Jahr unter Nahrungsmangel. Sie überlebte nur durch die Großzügigkeit anderer Bauern. Gegenwärtig schuldet Choephel den Bauern seines Dorfes 700 gyama Getreide und etwa 1.000 Yuan. Er verdingte sich auch als Arbeiter, aber sein Arbeitgeber zahlte ihm gerade vier gyama Getreide als Tagelohn.

Choephel berichtete, daß die Chinesen in seinem Kreis lokale Tibeter über 18 Jahre etwa 30 Tage im Jahr ohne Entlohnung zur Arbeit im Straßenbau und der Errichtung von Regierungsgebäuden heranziehen. Alle Bewohner dieser Gegend werden zu diesem Dienst gezwungen. Sie bekommen während dieser Zeit nicht einmal Essen, das sie selbst von zu Hause mitbringen müssen. Alle, die sich dieser Pflicht entziehen, werden mit einer Geldstrafe von 5 Yuan pro Tag belegt und erleiden noch andere Nachteile. Zusätzlich ziehen die Behörden eine reguläre Steuer von tibetischen Bauern ein. Es gibt etwa 18 tibetische Familien in dem Dorf Tsoten der Gemeinde Pasong, aber nur 4 von ihnen sind gut situiert, während der Rest sich jedes Jahr dem Problem des Getreidemangels gegenüber sieht.

Im Winter 1998 erhielt Choephel zur Unterstützung etwas Kleidung von der Regierung, aber er bekam niemals Gerste oder andere Nahrungsmittel. Ihm drohte auch noch eine Strafe von 300 Yuan wegen Überschreitung der Höchstzahl von 3 Kindern, die 1997 in dem Distrikt eingeführt wurde.

Choephels Familie liefert jährlich rund 100 gyama Getreide an die Lokalverwaltung ab, wofür sie nur 8 motse für ein gyama erhält, wogegen der Marktpreis ein Yuan pro gyama Getreide beträgt. Alle Bauern von Distrikt Dhingri unterliegen dieser Getreidebesteuerung. Choephel kam mit seinem ältesten Sohn nach Nepal, den er in Indien zur Schule bringen möchte. Er beabsichtigt später nach Tibet zurückzukehren.

Teil 7

Agrarbesteuerung

Samdup (30) ist ein Nomade aus der Gemeinde Trago in Kreis Saga, Präfektur Shigatse. In Saga, dem ärmsten Landkreis der Präfektur Shigatse mit einer vorwiegend nomadischen Bevölkerung, gibt es 16 Gemeinden. Trago umfaßt 6 Dörfer, in denen etwa 1.500 Nomaden leben. Dort gibt es weder Märkte, noch elektrischen Strom, noch medizinische Einrichtungen. Nur eine große chinesische Kaserne steht dort, die für die Grenzschutzsoldaten gebaut wurde, welche Tibeter, die durch Saga nach Nepal zu fliehen versuchen, abfangen. 1999 wurden annähernd 198 tibetische Flüchtlinge in Kreis Saga aufgegriffen, die zuerst in der Kaserne festgehalten und dann der Präfektur Shigatse ausgeliefert wurden. Was weiterhin mit ihnen geschah, weiß man nicht.

Die Behörden von Kreis Saga berufen regelmäßig Zusammenkünfte in den Dörfern ein, bei denen die Nomaden und Bauern gewarnt werden, daß sie ihre Kinder nicht zur Schule nach Indien schicken dürfen. Andernfalls droht ihnen die Konfiszierung ihres Landes, ihres Viehs und ihrer Lebensmittelkarten.

In der Gemeinde Trago erheben die Behörden Steuern auf die Anzahl der Tiere, die eine Nomadenfamilie hat. Samdups dreiköpfige Familie besitzt etwa 100 Schafe, 10 Ziegen und 1 Pferd. Obwohl sie kein Land hat, muß sie dennoch eine jährliche Abgabe von 60-70 Yuan für Tiere, Gras und Häute leisten. Weiterhin werden ihr 7 Schafe als jährliche Fleischtaxe weggenommen. Als Entschädigung erhalten sie nur 100 Yuan pro Schaf, während der Marktpreis in dieser Gegend 250 Yuan ist. Der Staat verlangt auch ein gyama Butter von jenen Nomaden, die Dris besitzen. In Samdups Dorf gibt es 60 Nomadenfamilien mit rund 350 Personen. Die meisten der Kinder im Alter zwischen 7 und 15 Jahren haben keine Möglichkeit zum Schulbesuch. Von den 75 Kindern in seinem Dorf gehen nur 4 zur Gemeindeschule.

Alle Leute der Gemeinde Trago zwischen 16 und 58 Jahren müssen unbezahlt beim Straßenbau mithelfen. Männer müssen 25 Tage lang und Frauen 15 Tage lang arbeiten, und wer nicht zur Arbeit erscheint, wird mit Geldstrafen belegt. Samdup verließ seine Heimat am 15. Dezember 1999 und erreichte Nepal am 11. Januar 2000.

Teil 8

Konfiszierung von Tieren und Einschränkungen in der religiösen Ausübung

Der 29-jährige Nortso ist ein Bauer aus dem Dorf Rongnup in der Gemeinde Daphu, Kreis Ngamring der Präfektur Shigatse, der niemals eine Schule besuchte. Seine dreiköpfige Familie besitzt annähernd 6 mu Grund und Boden, d.h. zwei mu pro Person. Sie darf nur 45 Ziegen und Schafe haben, mehr wird ihr nicht zugebilligt

In dem Dorf Rongnup dürfen die Bauern nämlich nicht mehr als 15 Ziegen oder Schafe pro Familienglied haben. Die Behörden inspizieren die Dörfer im Herbst und verlangen die Schlachtung der überschüssigen Tiere, andernfalls droht ihnen die Wegnahme ihres ganzen Viehbestandes. Diese Verordnung wurde 1994 in dem Kreis Ngamring eingeführt, und jene, die sich ihr nicht fügen, werden öffentlich gedemütigt und mit Wegnahme ihrer Tiere bestraft.

1995 tadelten die Gemeindevorsteher bei einer Dorfversammlung einen Bauern namens Kelsang, weil er zu viele Tiere hatte. Sie wurden ihm weggenommen und geschlachtet. Die Behörden treiben jedes Jahr verschiedene Arten von Steuern ein, etwa Abgaben auf Häute, auf Ziegenwolle, auf Gras und auf jedes Schaf oder jede Ziege. 3 Yuan werden den Bauern jährlich für die Bewässerung abverlangt. Sie müssen auch zwei Säcke Düngemittel im Jahr kaufen, ob sie dieses benötigen oder nicht. Diese 100 gyama schweren Säcke kosten die Bauern 140 bzw. 180 Yuan. Von ihrer Jahresernte müssen sie 40 gyama Getreide pro mu abliefern, wofür sie nur 8 motse und zwei phing pro gyama erhalten. Wenn ein Bauer Qualitätssaatgut, das gewöhnlich aus China kommt, verwendet, braucht er nur 5 Yuan pro mu als Jahrestaxe an die Behörden bezahlen.

Nortso berichtete, daß die Gemeinde- und die Kreisverwaltung alle zwischen 15 und 60 jährigen Leute seines Dorfes 25 Tage im Jahr zur Zwangsarbeit ohne Entlohnung beim Straßenbau rekrutiert. Die drei Männer in Nortsos Familie müssen insgesamt 75 Tage im Jahr Frondienst leisten. Wer sich vor der Arbeit drückt, riskiert eine Strafe von 7 Yuan pro Tag und Kopf.

Im gesamten Kreis Ngamring ist es den Tibetern verboten, irgendeinen neuen Tempel oder neue Stupas zu bauen. Seit 1994 werden sie auch daran gehindert, Lamas oder Mönche einzuladen, um Pujas, Divinationen oder Wahrsagedienste für sie auszuführen. Sie dürfen nur ein oder zwei Mönche zu Gebetsriten in ihre Häuser holen. Sie dürfen auch keine festlichen von Lamas zelebrierten Zeremonien in den Dörfern oder der Kreisstadt besuchen. Nortso erreichte Nepal am 20. Dezember 1999.

(1 gyama = 500 g, 10 sang = 1 gyama, 1 rukhel = 28 gyama, 10 motse = 1 Rupie, 1 Yuan = 5 Rupien, 1 mu = 67 qm).

Teil 9

Restriktionen in dem Nonnenkloster Gonlung

Tsundu Wangmo und Tenzin Sangmo, beide 18-jährig, sind zwei Nonnen aus dem Kloster Gonlung in der Gemeinde Datho, Kreis Driru, Präfektur Nagchu. Sie stammen aus Nomadenfamilien in Datho. Wangmos Eltern starben, als sie 16 Jahre alt war, wonach sie bei Sangmo und deren Familie wohnte. Als sie 10 Jahre alt waren, traten die Mädchen in Gonlung ein, wo damals etwa 70 Nonnen lebten. Derzeit sind es 40. Beide Mädchen blieben ein Jahr in dem Kloster. Dann lebten sie zwei Jahre in einer Einsiedelei in Datho und später gingen sie nach Samye, um ein Jahr lang beim Bau einer Stupa mitzuhelfen.

Die Nonnen Tenzin Sangmo und Tsondu Wangmo flohen zusammen mit 24 anderen Tibetern, wozu sie je 830 Yuan für einen Wegeführer zahlten, und sie erreichten am 2. März 2000 Nepal über den Rongpo Paß. Jetzt möchten sie in ein Kloster in Indien gehen. Die zwei Nonnen berichten, daß seit der Ankunft der Umerzieher in Gonlung viele Nonnen allerlei Belästigungen ausgesetzt waren. Gonlung wurde vollständig während der Kulturrevolution zerstört, doch wurde es nach 1980 von Lama Rinchen Dhondup und einigen Nonnen aus Kreis Driru wieder erbaut. Im Frühling 1998 kam ein 5-köpfiges "Arbeitsteam" aus Kreis Driru und der Gemeinde Datho in das Nonnenkloster. Dieses setzte eine Höchstzahl von 40 Nonnen fest, der Rest wurde verjagt. Damals waren etwa 70 Nonnen in dem Kloster. Manche gingen freiwillig, als sie die Kader kommen sahen. Diese belehrten die Nonnen, den "Spaltern" entgegenzutreten und alle Dalai Lama Bilder im Kloster zu entfernen. Sie kamen in regelmäßigen Abständen wieder, um die Nonnen zu indoktrinieren, seit 1998 sogar zweimal jeden Monat.

Jangchup Dolma und Samten Choekyi, beide Mitte Zwanzig, sind ehemalige Nonnen aus Kloster Gonlung. Als sie im Sommer von einer Pilgerfahrt nach Indien zurückkehrten, wurden sie festgenommen und etwa 2 Monate in der Nyari Haftanstalt von Shigatse eingesperrt. Beide Nonnen wurden wegen "Entweichens nach Indien" von der Kreisbehörde von Driru mit 500 Yuan bestraft. Ihnen wurde auch verboten, sich irgendeinem Kloster der Region Nagchu anzuschließen und religiösen Zeremonien in Nagchu beizuwohnen. Ohne Erlaubnis der Lokalbehörden dürfen sie sich nicht mehr über ihre Region hinaus begeben. Sie werden ständig belästigt und bezichtigt, einen schlechten Einfluß auf andere Nonnen auszuüben.

Choeyang Dolkar und Karma Ngawang sind ebenfalls Nonnen aus Gonlung. Sie kehrten im Dezember nach einem Indienbesuch nach Tibet zurück. Zuvor hatten sie Gonlung freiwillig verlassen. Die Gemeinde Driru hielt sie rund 15 Tage fest und ließ sie dann ziehen. Beiden Nonnen wurde verboten, religiöse Dienste zu verrichten, und alle ihre Schritte werden nun überwacht.

Tenzin Sangmos Eltern sind Nomaden. Ihr 64-jähriger Vater Sonam war 6 Jahre lang in dem Kreisgefängnis Driru eingesperrt, weil er einmal in dem Ort Tsora, der nun auch zu Driru gehört, Unabhängigkeitsparolen gerufen hatte und weil er zusammen mit seinem 70-jährigen Cousin Drablha mit den "Separatisten" gemeinsame Sache gemacht hatte. Drablha, der 6 Jahre im Gefängnis war, starb kurz nach seiner Entlassung. Sonam und Drablha wurden 1991, als Tenzin Sangmo 10 Jahre alt war, ins Gefängnis geworfen und 1997 entlassen.

Sangmos Großvater väterlicherseits wurde 1986, als sie vier Jahre alt war, von der chinesischen Polizei erschossen. Er hatte vor der Polizeistation in Tsora Freiheitsparolen gerufen. Tenzin Sangmos Familie wurde nach dem Tod des Großvaters schwer verfolgt und als Mitläufer mit den Separatisten gebrandmarkt. Wegen der ständigen Belästigung durch die chinesische Polizei ließ die Familie ihren ganzen Besitz in Kreis Tsora zurück und zog nach Kreis Driru um.

Teil 10

Musiker wegen patriotischer Lieder verfolgt

Gonpo Dhondup (24) ist ein Musiker aus der Gemeinde Achok in Kreis Huyen der Ngapa TAP, Provinz Sichuan. Als Junge ging er zwei Jahre zur Minoritäten- Schule in Kreis Huyen. Danach besuchte er 9 Jahre lang das Kulturinstitut des Kreises Huyen, wo er die Beherrschung tibetischer Musikinstrumente lernte. 1996 floh er aus Tibet, um in Indien seine Studien fortzusetzen. Zwei Jahre war er an dem Tibetan Institute of Performing Arts (Tibetisches Institut für Darstellende Künste) in Dharamsala beschäftigt. Er kehrte im November 1997 nach Tibet zurück, da er das Klima in Indien nicht vertrug und erkrankte.

Als Dhondup nach Kreis Huyen zurückkehrte, wurde er 12 Tage lang von dem Public Security Bureau auf Verdacht und wegen "Ausflugs nach Indien" festgehalten. Das PSB verlangte eine Geldbuße von 6.000 Yuan von ihm, welche Summe er nur mit Hilfe seiner Verwandten aufbringen konnte.

Danach ging Dhondup nach Kreis Lhabrang in der Khenlho Präfektur und fand dort als Künstler an dem Institut für Gesang und Tanz von Lhabrang Arbeit. Mit der Künstlertruppe reiste er durch viele Orte der Provinz Sichuan und der Gannan TAP und gab eine ganze Reihe von Darbietungen. Er sang Lieder und trug Gedichte vor, die er in Indien gelernt hatte. Die Leiter dieser Truppe Dakpa und Dorje Tashi billigten seine Auftritte nicht und denunzierten ihn. Sie schrieben an die Behörden und klagten, daß seine Darbietungen politischer Natur seien. Sie warfen Dhondup vor, daß er in den fünf Monaten seiner Mitarbeit an dem Institut in seinen künstlerischen Auftritten und Liedern Freiheitsmotive verwendet hätte. Sie informierten die Behörden auch über seine Reise nach Indien 1996 und seine Beziehung zu dem TIPA in Dharamsala. Dhondup sagte, daß er nur Loblieder auf die Reinkarnation des Kirti Rinpoche und anderer hoher Lamas von Kirti gedichtet und gesungen hätte, welche Dakpa als politisch interpretierte und ihn deshalb denunziert hätte. Fünf andere tibetische Künstler hätten bereits ihren Job in dem Gesang- und Tanzinstitut von Lhabrang aufgegeben wegen des ständigen Ärgers, den Dakpa ihnen verursachte und wegen seiner Willfährigkeit den Chinesen gegenüber. Aus Angst vor Verhaftung begab sich Dhondup nach Lhasa. Seine Freunde rieten ihm, einen Job in Lhasa zu suchen und nicht mehr nach Lhabrang oder Huyen zurückzukehren.

Dhondups Familie zählt 5 Mitglieder, seine Eltern sind Nomaden. In Lhasa fand er 1998 Arbeit in einer Künstlergruppe namens Nangma, wo er die tibetische Gitarre spielte. Als Dhondup erfuhr, daß Dakpa und die Behörden von Lhabrang bereits alle kulturellen Institute in Lhasa hinsichtlich seiner Person informiert hatten, mußte er auch von dieser Gruppe Abschied nehmen. Zusammen mit drei anderen Flüchtlingen ging er nach Dram und erreichte Nepal am 4. März 2000.

Teil 11

TV-Berichterstatterin verläßt Tibet

Eine im Mediensektor beschäftigte Dame aus der Provinz Gansu, die anonym bleiben möchte, kam am 23. März in Dharamsala an. Als Fernsehansagerin brachte ihre Arbeit es mit sich, daß sie die chinesische Partei-Ideologie mit ihren schweren Vorwürfen gegen den Dalai Lama wiederholen mußte, was ihr sehr peinlich war. Die Tibeter auf dem Land waren ärgerlich, wenn sie derartige Sendungen sahen. Sie war sehr unglücklich, daß sie für einen Fernsehsender arbeiten mußte, der solche Propaganda verkündet. Als sie noch in der Ausbildung war, hätte sie großes Interesse für diese Art der Tätigkeit gehabt, meinte sie, aber die tatsächliche Erfahrung veranlaßte sie später, sich abzusetzen und nach einer ähnlichen Arbeit im Exil zu suchen, wo es Meinungsfreiheit und bessere Gelegenheit, Englisch zu lernen gibt.

Das Volksfernsehen von Gannan, für das sie arbeitete, ist ein staatlicher Sender, der rund 100 Personen beschäftigt, von denen etwa die Hälfte Tibeter sind. Der Direktor ist Chinese, aber sein Stellvertreter ist Tibeter. Diese Station übersetzte die Sendungen aus Zentralchina ins Tibetische, aber nur zwei Tage in der Woche wurden tibetische Programme gesendet, der Rest wurde von chinesischen Sendungen eingenommen. Täglich waren 15 Minuten reiner Propaganda gewidmet: Teile aus der chinesischen Verfassung, dem Gesetzbuch und das Neueste über den "Wohlstand" der Region wurden verkündet. Die meisten Dorfbewohner fanden dies sehr lästig, weil sie den Informationen ohnehin nicht glaubten. Ihre eigene Familie war im Zwiespalt zwischen Stolz auf ihre Position und Entrüstung über die ausgestrahlten Programme.

Die Arbeitsbedingungen waren gut, sie bekam ein Gehalt von 600 Yuan monatlich und freie Unterkunft. In den zwei Jahren, welche sie beim Fernsehen arbeitete, mußte sie keine Steuern für ihr Einkommen zahlen. Zwar wurden einmal im Monat 50 Yuan von jedem Angestellten für einen "Entwicklungsfonds" eingesammelt, aber sie weiß nicht genau, ob es sich dabei um eine staatliche Steuer oder nur eine Initiative ihres Büros handelte.

Wie alle bei der TV Station Beschäftigten mußte sie auch einige Zeit für den lokalen Radiosender arbeiten, aber auch dort seien alle Programme zensiert gewesen. Sie besaß einen offiziellen Presseausweis, mit dem sie in ganz China herumreisen konnte, aber um diesen zu erhalten, mußte sie unterschreiben und ihre Loyalität auf die Einheit des "Mutterlandes" schwören. Offiziellen Verordnungen zufolge erhalten alle Angestellten 50% ihrer Ausgaben für medizinische Behandlung vom Staat, aber in der Praxis sei dies nur selten der Fall gewesen, sagte sie. Nur wenige Angestellte, die gute Beziehungen zu höheren Instanzen haben, kamen in den Genuß dieser Vergünstigungen. Niemand in ihrer Gegend hatte eine "grüne Gesundheitskarte", was typisch ist für das Gefälle zwischen der TAR (Tibetan Autonomous Region), wohin mehr Entwicklungsgelder fließen, und den anderen Tibetisch Autonomen Präfekturen, in denen es nur wenige derartige Einrichtungen gibt. In der TAR würde jemand, der dieselbe Arbeit wie sie tut, 1.500 Yuan statt 600 verdienen, weil die Wirtschaftsbedingungen dort viel besser seien, meinte sie. Die Arbeitsmöglichkeiten für Tibeter in ihrer Region seien sehr schlecht, und die Erziehung hätte einen niedrigen Standard. Von etwa 50 Schülern in einer Klasse würden nur 3 oder 4 die Prüfungen bestehen, die sie zu weiterem Studium berechtigten. Die meisten Studienplätze auf dieser Ebene seien von Chinesen besetzt. Ohne fließend Chinesisch zu sprechen hat niemand Aussicht auf einen guten Job, und die Arbeitslosen bekommen keine finanzielle Unterstützung von der Regierung.

Die Ansage der regionalen Familienplanungs-Verordnung bildete auch einen Teil ihrer Tätigkeit. Tibeter durften zwei Kinder haben, Chinesen nur eines. Diese Einschränkung stellt ein großes Problem für die lokalen Nomadengemeinden dar, die sich oft nicht an diese Regel halten können, weil sie mehr Kinder zum Hüten ihrer Herden benötigen. Wer diese Zahl überschritt, wurde für jedes zusätzliche Kind mit 4.000 Yuan bestraft. Während schwangere Angestellte in ihrem Büro drei Monate bezahlten Urlaub bekamen, weiß sie auch von vielen Frauen, die in der Klinik bei angeblich vom Staat bezahlten Operationen sterilisiert wurden. Während in ihrer speziellen Arbeitsstelle Tibeter kaum unter Diskriminierung zu leiden hatten, erzählte sie, daß allgemein die tibetischen Nomaden von den Chinesen als Bürger zweiter Klasse behandelt werden, besonders hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge, wo sie schmutzige Zimmer und nur die allergrundlegendste medizinische Versorgung bekommen. Es gibt keine Instanzen, bei denen sich Tibeter beklagen könnten, weil alle Einrichtungen staatlich sind, und die Mitglieder der Gemeindeversammlungen von den höheren Organen des Distrikts ernannt werden. Das macht die Wahl zu einer reinen Farce.

Teil 12

Zum zweiten Mal verurteilt wegen finanzieller Unterstützung von Mitgefangenen

Dawa Tsering (29) aus Kreis Phenpo Lhundup kommt aus einer armen Familie. Er konnte nie zur Schule gehen, weil seine Hilfe zu Hause benötigt wurde. 1985 wohnte er bei entfernten Verwandten und machte sich im Haushalt nützlich. 1986 trat er in Dralha Luphug Kloster in Lhasa ein, wo er als Hausmeister fungierte. 1989 veranstalteten Tsering und Mönche des Klosters Gaden eine friedliche Demonstration am Barkhor. Sie hatten die verbotene tibetische Flagge bei sich, aber sie wußten ganz genau, daß ihre Tat schwere Folgen haben würde, denn zu jener Zeit stand Lhasa unter Kriegsrecht, das von China am 7. März 1988 verhängt worden war. Die Mönche wurden ziemlich schnell von dem PSB Lhasa verhaftet und in die Gutsa Haftanstalt eingesperrt. 1990 wurde Tsering zu drei Jahren "Reform durch Arbeit" in dem Drapchi Gefängnis verurteilt. Seine Freunde kamen in verschiedene Anstalten zur "Umerziehung durch Arbeit".

Ein ehemaliger Insasse von Drapchi berichtet, wie Tsering im Februar 1990 nach Drapchi kam. Er sei sehr intelligent und erfinderisch gewesen, und obwohl er erst 18 Jahre alt war, sei er viel reifer als sein Alter gewesen. Er gab den Offiziellen immer ganz schön heraus, was ihm viele Schläge einbrachte und ihn bei den Gefängniswachen in Verruf brachte. Einmal erlitt er einen Arbeitsunfall und hinkte von da an, was ihm ständige Schmerzen verursachte. Seine Arbeitsleistung verschlechterte sich, aber statt daß man ihn in medizinische Behandlung gegeben hätte, wurde er als "ein Drückeberger" geschlagen. Weil die Aufseher ihm nicht glaubten, mußte er seine Arbeit so lange zusammen mit den gesunden Gefangenen verrichten, bis er schließlich nach Ende seiner Strafe entlassen wurde.

Nun wurde ihm die Rückkehr in sein Kloster verwehrt. Eine Zeitlang tat er Gelegenheitsjobs in Lhasa und manchmal verdiente er sich Geld als Straßenhändler. Mit dem bißchen Geld, das dabei heraussprang, besuchte er seine ehemaligen Mitgefangenen in Drapchi, die sonst keine Besucher bekamen. Die Gefängnisobrigkeit bekam schnell Verdacht wegen seiner Aktivität und ließ einen Verhaftungsbefehl für ihn ausstellen. Die Polizei konnte ihn lange Zeit nicht finden, weil er sich in Nagchu versteckte.

Schließlich wurde er im Juni 1997, als er ein kleines Restaurant in Gyatsa in der Region Lhoka betrieb, festgenommen. Ihm wurde angelastet, "in Indien gedruckte Dokumente zu verteilen und eine Liste von politischen Gefangenen aufzustellen". Er wurde in dem PSB Haftzentrum von Tsethang festgehalten, wo er bei der Vernehmung unmenschliche Mißhandlung erlitt. Das Besucherrecht wurde ihm verweigert und niemand von seinen Verwandten oder Freunden erfuhr, wo er sich befand. Deshalb bekam er zu jener Zeit keine extra Nahrungsmittel oder Kleider. Im Dezember 1997 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Lhoka Tsering zu 5 Jahren Gefängnis und 3 Jahren Verlust der politischen Rechte. Nach dem Urteilsspruch kam er wieder nach Drapchi, wo er jetzt seine Strafe absitzt. Ehemalige Insassen von Drapchi, die ihn kennen, sind wegen seiner unerschrockenen Haltung besorgt um ihn, besonders nach dem Protest vom Mai 1998, weil seither nichts mehr über ihn bekannt wurde.

Teil 13

Tod eines religiösen Gelehrten

Gunthang Jigme Tenpae Wangchuk Rinpoche, die sechste Inkarnation des 50. Gaden Tripa Gunthang Tenpae Nyima Gedun Phuntsok, wurde formell in den frühen 40er Jahren in dem Kloster Labrang Tashikhyil in Amdo inthronisiert. 1958 wurde Rinpoche verhaftet, weil ihm zur Last gelegt wurde, ein Komplize in einer Revolte gegen die chinesische Regierung in Kansu, Tsognon und Sichuan zu sein. In den 21 Jahren seiner Gefangenschaft war Rinpoche in der Ersten Einheit des Gefängnisses Lanchou eingesperrt, wo er Zwangsarbeit leisten mußte.

Rinpoche genoß hohe Achtung unter den Tibetern wegen seiner steten Hingabe an den Dalai Lama und seiner Verwerfung des von den Chinesen ernannten Panchen Lama. Er war ein passionierter Befürworter der Erziehung der Tibeter und sammelte Spenden, um Schulen zu gründen und zerstörte Klöster wieder aufzubauen.

Obwohl er eine Reihe offizieller Positionen als ein ständiges Mitglied der Politischen Konsultatativ-Konferenz des Chinesischen Volkes und als Vizepräsident der Buddhistischen Vereinigung Chinas bekleidete, bewahrte er seine Loyalität dem Dalai Lama gegenüber. Der Rinpoche wurde zuletzt wegen Krebs in einem Hospital behandelt, als er am 29. Februar 2000 um 6.48 (Pekinger Standard Zeit) verstarb.

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