12. Dezember 2003
Die Unterdrückung der Religion in China
von Jamyang Norbu, Quelle: World Tibet News

Jamyang Norbu ist ein bekannter im Exil lebender tibetischer Publizist. Er war lange Jahre Direktor des Amnye Machen Instituts (Tibetan Centre for Advanced Studies) in Dharamsala, Indien, und Herausgeber der Zeitschrift Lungta. Außerdem wirkte er ab 1976 in verschiedenen Funktionen für die tibetische Regierung-im-Exil. Jamyang Norbu berief 1970 den ersten tibetischen Jugendkongress ein und gehörte 10 Jahre lang dessen leitendem Ausschuß an. Von 1979-1984 stand er dem Tibetan Institute of Performing Arts vor, und von 1993 bis 1996 gab er "Mangtso" (Demokratie), die größte unabhängige tibetisch-sprachige Zeitung, heraus. Jamyang Norbu hat zahlreiche Artikel zu den Belangen Tibets und Chinas geschrieben und sich auch als Vortragsreferent einen Namen gemacht.

Bei vorliegendem Text handelt es sich um einen Auszug aus dem in Kürze erscheinenden Buch
"Buying The Dragon's Teeth:
Wie Ihr Geld zur Aufrechterhaltung eines gefährlichen autoritären Regimes in China beiträgt und auf diese Weise Arbeitsplätze, Industriebetriebe und die Freiheit in Ihrem eigenen Land untergräbt".

Inhalt
  1. Einführung
  2. Populäre indigene Religionen
  3. Tibetischer Buddhismus
  4. Katholiken
  5. Protestanten
  6. Der Islam in China
Teil 1

Einführung

Die kommunistische Partei Chinas sah schon immer in der Religion einen nicht tolerierbaren Risikofaktor, der ihr vermeintliches alleiniges Recht auf den Gehorsam und sogar auf die Ergebenheit der Bürger des Landes gefährdet. Obwohl die Religionsfreiheit in der chinesischen Verfassung festgeschrieben ist, sieht die Praxis so aus, daß jede religiöse Vereinigung einen beschwerlichen Registrierungsprozeß durchlaufen muß und selbst dann noch genauestens bei ihren Aktivitäten überwacht wird. Drucklegung und Verbreitung religiöser Schriften werden von der Regierung streng kontrolliert. Sobald eine Gruppierung in den Verdacht kommt, sich der Einmischungen und strengen Kontrolle von Seiten der chinesischen Regierung entziehen zu wollen, wird sie sofort "krimineller Aktivitäten" und "illegaler Zusammenkünfte" beschuldigt. Das hat dann unweigerlich polizeiliche Maßnahmen mit routinemäßiger körperlicher Mißhandlung, Folter, langjährige Inhaftierung der religiösen Führungspersönlichkeiten und der Praktizierenden zur Folge. Nicht selten werden Kirchen, Klöster oder Moscheen vom Staat abgerissen.

Im Anschluß an andere Berichte über dieses Thema hat Human Rights Watch Asia nun ein nützliches Handbuch veröffentlicht: "State Control of Religion" . Es gehört zur Basisliteratur für jeden, der ein grundlegendes Verständnis von den Repressionsmechanismen gewinnen will, mit denen die kommunistische Partei Chinas religiöse Anschauungen unterdrückt, kontrolliert und behindert. Informationen zu der Verfolgung der einzelnen Glaubensgemeinschaften und Sekten können über deren Unterstützergruppen bezogen werden, in erster Linie das Tibet Information Network (TIN), die Cardinal Kung Foundation, die Free Church for China, das Falun Dafa Information Center, das Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) und das Uighur Information Centre.

Am 11. Februar 2002 veröffentlichte Freedom House in Washington, D.C. einen Bericht, in dem sieben chinesische Regierungsdokumente analysiert werden . In diesen zwischen April 1999 und Oktober 2001 erstellten geheimen Dokumenten werden die Zielsetzungen und Maßnahmen der chinesischen Sicherheitsbehörden zur Repression der Religionen auf nationaler, provinzialer und lokaler Ebene genauestens erläutert. Es sind dies unwiderlegbare Beweise, daß es sich die chinesische Regierung, und zwar auf höchster Ebene, zum Ziel gesetzt hat, jegliche Manifestation von Religiosität, die sich ihrer Kontrolle entzieht, zu unterdrücken und sich zu diesem Zweck einer entschiedenen, systematischen und harten Strafverfolgung bedient. Der gegenwärtige chinesische Staatspräsident Hu Jintao, von dem einige Beobachter Chinas meinen, daß er zu einer jüngeren, liberaleren Generation von Führern der kommunistischen Partei gehöre , billigt die Verfolgung der Real God Church, wie einem Zitat in Dokument Nr. 4 zu entnehmen ist.

"Diese Dokumente liefern den nicht abzustreitenden Beweis, daß China weiterhin entschlossen bleibt, all jene Religionen, die sich seiner Kontrolle entziehen wollen, mit Stumpf und Stiel zu beseitigen und dabei auch vor extremen Taktiken nicht zurückschreckt", kommentierte die Leiterin des Zentrums für religiöse Freiheit (Freedom House) Nina Shea. "Normale religiöse Aktivitäten werden kriminalisiert und die im Dezember gegen den Pastor der südchinesischen Kirche Gong Shengliang und mehrere seiner Mitarbeiter verhängte Todesstrafe beweist, mit welch unerbittlicher Entschlossenheit die in diesen Dokumenten skizzierten Richtlinien in die Tat umgesetzt werden."

Die Commission on International Religious Freedom (eine US-Bundesbehörde) sagte am 8. August 2003, nachdem die chinesischen Behörden "in letzter Minute unannehmbare Bedingungen gestellt hatten, ihre geplante Chinareise ab" . Ein Besuch der Arbeitsgruppe in Hongkong wurde ebenfalls von China vereitelt. Michael K. Young, der Vorsitzende der Kommission, meinte: "Überdies gibt dies Anlaß zu der Befürchtung, daß die Autonomie Hongkongs bereits wenige Jahre nach der Übergabe gefährdet sein könnte". In Anbetracht der Tatsache, daß China in der Vergangenheit die Besuche ähnlicher, vom amerikanischen Kongreß und dem Außenministerium entsandter Arbeitsgruppen für religiöse Freiheit in China gestattet hatte, könnte man diese Beschränkungen als Anzeichen für eine noch härtere Gangart in der antireligiösen Politik und ein neues Verhalten Pekings ansehen, diesbezügliche Bedenken der Außenwelt einfach zu ignorieren.

Teil 2

Populäre indigene Religionen

Die New York Times berichtete am 8. Februar 2001 über den Tod von weiteren sieben inhaftierten Mitgliedern der als illegal erklärten Religionsgemeinschaft Falun Gong, womit die Gesamtzahl der bekannten Todesfälle auf 112 ansteigt. Wie berichtet, sind vier von ihnen in Zwangsarbeitslagern gestorben und zwei weitere offensichtlich bei Zwangsernährungsmaßnahmen, um einen begonnenen Hungerstreik zu beenden, lebensgefährlich verletzt worden. Am 27. Juni 2001 berichtete Falun Gong, ungefähr 243 Anhänger ihrer Glaubensgemeinschaft seien in der Haft oder direkt nach ihrer Freilassung unter verdächtigen Umständen gestorben . Bis zum heutigen Tag wurden viele Tausende ihrer Mitglieder (unterschiedlich lange) in Haft gehalten; während mindestens zehntausend weitere langjährige Strafen in Zwangsarbeitslagern verbüßen. Man weiß nicht, wie viele weitere in die geschlossene Psychiatrie eingeliefert wurden. Schläge und Folter gehören zum Alltag der Inhaftierten und führten bereits zu vielen Todesfällen. Die massive und brutale Verfolgung von Falun Gong - die Intensität des Feldzuges zur Vernichtung der Glaubensgemeinschaft (mit landesweit durchgeführten öffentlichen Demonstrationen und Massenversammlungen), wobei auch die entlegensten Regionen ihr aktives Eintreten gegen die Sekte unter Beweis stellen mußten erinnert an die maoistischen Kampagnen in den 50er und 60er Jahren.

Mit Ausnahme von ein bis zwei äußerst entschlossenen Splittergruppen wurde Falun Gong in China seit September 2001 in den Untergrund gezwungen. Als sei das harte Vorgehen gegen die Glaubensgemeinschaft noch nicht genug, wurde zusätzlich eine ausgefeilte landesweite Propagandakampagne gestartet, um sie und ihren spirituellen Anführer Li Hongzhi erfolgreich zu dämonisieren. Gleichzeitig rühmte die Regierung sich der milden Behandlung der Falun Gong Mitglieder in "hellen und freundlichen" Umerziehungslagern. Damit sollte sichergestellt werden, daß die Bevölkerung ihre Regierung bei der Zerschlagung dieses (vom früheren Präsidenten Jiang Zemin so bezeichneten) "bösen Kults" unterstützt. Human Rights Watch sieht die Sache allerdings anders: "Hand in Hand mit der internen Propagandakampagne haben chinesische Behörden ständig folgende Menschenrechte mit Füßen getreten: das Recht auf Versammlungs-, Rede- und Religionsfreiheit sowie das Recht, nicht gefoltert und mißhandelt oder willkürlich inhaftiert zu werden; ferner das Recht auf eine ordentliche und faire Gerichtsverhandlung ".

Falun Gong ist von den in China unterdrückten indigenen Religionsgemeinschaften zwar die bekannteste, aber keineswegs die einzige. So wurde beispielsweise die Gruppe Zhong Gong ebenfalls heftig von der Polizei angegriffen, und auch ihr spiritueller Führer hat in den USA um Asyl nachgesucht. In den 80er Jahren wurde die spirituelle Bewegung Yiguan Dao (Weg der Einheit) von den Sicherheitskräften der Provinz Sichuan skrupellos zerschlagen; ihre Vorsteher wurden hingerichtet und Tausende ihrer Mitglieder in Zwangsarbeitslager gesteckt.

Teil 3

Tibetischer Buddhismus

Seit einigen Jahren waren die tibetischen Buddhisten einer extrem harten und zugleich wohl geplanten und koordinierten Kampagne zur Zerstörung ihrer Religion und Kultur ausgesetzt. Wegen des rigorosen Vorgehens der Behörden wurde sie von den Tibetern als "zweite Kulturrevolution" bezeichnet, der Dalai Lama sprach sogar von "kulturellem Völkermord". Verhaftungen, gnadenlose Schläge, Folterung von inhaftierten Mönchen und Nonnen und deren Vergewaltigung sind die Regel, gelegentlich kommt es gar zu Hinrichtungen. Darüber hinaus wird das religiöse Leben von offizieller Seite streng gemaßregelt, wozu die (von der Staatssicherheit oder den ständig in den Klöstern stationierten paramilitärischen Einheiten durchgeführten) täglichen politischen Schulungen der Mönche und Nonnen und das Verbot von Bildern des Dalai Lama gehören. Ebenso ist allen staatlichen Angestellten der Besitz von religiösen Gegenständen und das Aufstellen von Schreinen in ihren Privatwohnungen untersagt. Rigoros und in geradezu peinlicher Weise werden die religiösen Aktivitäten aller wichtigen Lamas und Äbte überwacht.

Nachdem sich im Jahr 2001 zwei von Pekings religiösen Vorzeige-Würdenträgern, nämlich der junge Karmapa und der Abt des Klosters Kumbum, Agya Rinpoche, in die Freiheit abgesetzt hatten, geriet die Kampagne kurzzeitig ins Stocken, wurde aber bald wieder aufgenommen. Im Sommer 2001 begannen die chinesischen Behörden mit der Zerschlagung des Buddhistischen Instituts Serthar im Larung Gar Tal in Osttibet (Provinz Sichuan). Zusammen mit einem umfangreichen Militär- und Polizeikontingent riegelten chinesische Behördenvertreter das Tal ab und zerstörten mehr als 1.000 Behausungen und andere Bauten. Das Institut beherbergte 6.000 -7.000 Mönche und Nonnen, dazu kamen über 1.000 chinesische Studenten und chinesische buddhistische Gelehrte - sie alle wurden des Instituts verwiesen und gezwungen, die Gegend zu verlassen. Der Gründer und Vorsteher dieser einzigartigen spirituellen Gemeinschaft, Khenpo Jigme Phuntsog, wurde in polizeilichen Gewahrsam genommen . Der Leser sollte einen Blick auf die Fotos des Instituts auf der Website des TCHRD werfen, denn sie vermitteln einen guten Eindruck von dem gewaltigen Umfang des Wiederauflebens der Religiosität an diesem Orte.

Am Sonntag, den 26. Januar 2003, bestätigte das Oberste Volksgericht der Provinz Sichuan in Chengdu die Todesurteile gegen den buddhistischen Lehrer Tenzin Delek Rinpoche und seinen Helfer und Verwandten Lobsang Dhondup . Der offiziellen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge wurden die Angeklagten der "Sabotage an der Einheit des Landes und der Einheit unter den verschiedenen ethnischen Gruppen" sowie des "Terrorismus" für schuldig befunden. Kurz darauf wurde Lobsang Dhondup hingerichtet. Tenzin Delek Rinpoches eigentliches "Vergehen" scheint jedoch sein enormer religiöser und moralischer Einfluß auf die Bevölkerung von Lithang in Osttibet zu sein. Wang Lixiong, der chinesische Autor eines Buches über Tibet, der in den vergangenen Jahren des öfteren die Gegend von Lithang besucht hatte, meint, Tenzin Delek werde von den Bewohnern dieser Bergregion, die durch anhaltende Unterdrückung, Armut und Alkoholismus ihren Lebensmut eingebüßt hatten, deshalb so sehr verehrt, weil "er ihnen einen neuen Weg gezeigt" hat. "Er wollte ein moralisches Beispiel setzen und machte einen großen Eindruck auf die Menschen", sagte Wang, "doch die Regierung sah eine Bedrohung in ihm" .

Der noch im Knabenalter befindliche Panchen Lama ist Tibets zweithöchster religiöser Würdenträger und zugleich der jüngste politische Gefangene der Welt. Seit er 1995 im Alter von sechs Jahren von den Behörden in Gewahrsam genommen und heimlich an einen unbekannten Ort gebracht worden war, weiß niemand, wo er sich aufhält. Die britische Autorin Isabel Hilton verfaßte über dieses bizarre und tragische Geschehen ein genau recherchiertes und exzellentes Buch mit dem Titel "The Search of the Panchen Lama".

Der aktuellste Bericht aus erster Hand über die religiöse Unterdrückung in Tibet stammt von dem Korrespondenten der Washington Post Philip P. Pan, der im Laufe einer achttägigen Reise durch Tibet zahlreiche Interviews geführt hat . Hier folgen einige Auszüge aus seinem Artikel:

"Die Regierung kontrolliert die tibetischen Klöster weiterhin äußerst streng und schränkt die Anzahl der Mönche und Nonnen, die an den Zeremonien teilnehmen dürfen, ein. Religiöse Lehrveranstaltungen, in denen die Behörden einen politischen Unterton wittern, werden ebenso untersagt wie das Ablegen von Prüfungen, durch welche die Mönche in ihren Studien weiter fortschreiten könnten. Zur Leitung der Klöster wurden sogenannte "Democratic Management Committees" eingesetzt; doch die Mönche, die in diesen Komitees tätig sind, räumen ein, daß sie nicht mehr von ihren Mitbrüdern gewählt werden".

"Demokratisch ist das für uns nicht, das Komitee ", sagte Nyima Tsering, der stellvertretende Vorsteher von Lhasas größtem Heiligtum, dem Jokhang Tempel. Seiner Aussage zufolge wurde er zusammen mit sechs weiteren Mönchen von der Regierung in das Komitee berufen, nachdem man zuvor ihre patriotische Gesinnung überprüft hatte. In dem Komitee sitzen auch zwei Regierungsvertreter, die in allem das letzte Wort haben. "Jeden März ordnet die chinesische Verwaltung die Aufstellung von Arbeitseinheiten an, um sicherzustellen, daß die in ihrem Dienst Stehenden nicht etwa allen Verboten zum Trotz dennoch den Geburtstag des Dalai Lama feiern, und sie droht mit Entlassung, falls die Aufpasser einen der Angestellten bei solchem Tun erwischen. Weiterhin hat die Partei allen Regierungsbediensteten das Aufstellen von Fotos des Dalai Lama in ihren Privatwohnungen untersagt sie wollte sie sogar noch zur Entfernung von buddhistischen Statuen zwingen. Vertreter der Universität Lhasa sagten, es sei den Studenten verboten, Gebete in Tempeln zu verrichten oder an sonstigen religiösen Aktivitäten teilzunehmen. Bei Zuwiderhandlung würden sie der Hochschule verwiesen. Den Schülern von Gymnasien und Mittelschulen wird ebenfalls nahegelegt, sich von religiösen Praktiken fernzuhalten. Außerdem versucht die Regierung, der Tradition der Landbevölkerung, ihre Kinder zum Studium in die Klöster zu schicken, ein Ende zu setzen".

Teil 4

Katholiken

Bis zu einhundert Millionen Christen riskieren täglich ihr Leben in China, weil sie dem Verbot der freien Religionsausübung trotzen. Katholische Organisationen und Gemeinden, welche die geistliche Oberhoheit des Papstes anerkennen, sehen sich gezwungen, in den Untergrund zu gehen; chinesische Bischöfe, Priester und Laien werden regelmäßig verhaftet, gefoltert und schikaniert. Angehörige der Sicherheitskräfte haben sogar Morde an Priestern begangen, als Beispiel sei der Fall von Vater Yan Weiping aus der Provinz Hubei genannt. Nachdem er im Mai 1996 verhaftet worden war, wurde er in einer Straße in Peking erschlagen aufgefunden. Man weiß mit Gewißheit von mindestens zehn Bischöfen und neunzehn Priestern, die derzeit inhaftiert sind , während das Schicksal von über vierzig weiteren Kirchenleuten gänzlich ungeklärt ist. Die Behörden verweigern jegliche Auskunft über ihre Verhaftung oder ihren eventuellen Tod. Viele katholische Laien teilen ein ähnliches Schicksal mit ihren geistlichen Hirten.

Der gebrechliche 81 Jahre alte Bischof Zeng Jingmu aus der Provinz Jiangxi wurde, kaum hatte er eine dreijährige Gefängnisstrafe verbüßt, am 14. September 2000 wieder verhaftet. Er hatte bereits früher 30 Jahre lang im Gefängnis gesessen, nämlich von 1955 bis 1995. Am 11. September 2000 umstellten über 70 Sicherheitskräfte das Haus des im Untergrund lebenden und 82 Jahre alten katholischen Priesters Ye Gong Feng, der von ihnen so grausam gefoltert wurde, daß er ins Koma fiel. Nach Aussage des römisch-katholischen Bischofs von Hongkong, Joseph Zen, im Februar 2003 ist die Verfolgung der katholischen Kirche im chinesischen Kernland drastisch verschärft worden . Er fügte hinzu, die chinesischen Behörden hätten ein katholisches Priesterseminar in China geschlossen, doch hätten sie es jetzt mit einer jüngeren Priestergeneration zu tun, die wesentlich weniger gehorsam als ihre älteren Amtsbrüder sei. Am 28. Mai 2003 berichtete ein Chinaexperte in Rom, drei kürzlich eingegangenen Dokumenten zufolge habe Peking eine strengere Kontrolle der Aktivitäten der chinesischen Katholiken angeordnet .

Teil 5

Protestanten

Ebenso wie die Katholiken müssen alle protestantischen Glaubensgemeinschaften der "Three-self"-Richtlinie nachkommen, die fordert, daß sie keinerlei Unterstützung von ausländischen Missionsgesellschaften annehmen dürfen, daß sie ihre Unterschiede in Theorie, Doktrin und Liturgie aufgeben und sich einer "post-konfessionellen christlichen Kirche" anschließen müssen, die sich loyal zur kommunistischen Partei Chinas verhält. Die "Three-fix"-Richtlinie verlangt, daß alle Kongregationen an feststehenden Orten zusammenkommen, daß sie einen ständigen und professionellen Leiter haben und ihre Aktivitäten auf eine bestimmte geographische Region beschränken. Protestantische Gruppen, die nicht zur offiziellen Kirche gehören, von Laien geführt werden und durch evangelikale Missionierung Mitglieder werben, werden durch diese Regelung in ihrem Wachstum eingeschränkt und einer offiziellen Kontrolle unterworfen. Deshalb haben viele Kirchen versucht, unregistriert zu bleiben, doch sobald sie entdeckt werden, haben ihre Vorstände und Mitglieder mit Verhaftung, Schlägen und Folterung zu rechnen.

In dem Gebiet Zhoukou in Henan haben derartige nicht registrierte "Hauskirchen" sich zu vermehren begonnen, und damit einhergehend intensivierte sich auch die staatliche Verfolgung der Gläubigen. In den ersten Monaten des Jahres 1995 nahm die Polizei dort über 200 Protestanten in Gewahrsam. Ihre Führer wurden zu dreijährigen Haftstrafen verurteilt. Das evangelikale Netzwerk des Zhoukou-Gebiets besitzt auch auswärtige Verbindungen. Bei einer Razzia im November 1994 wurden 152 Kirchenführer verhaftet, viele davon waren von auswärts.

Am 18. Februar 1995 führten Angehörige der Sicherheitspolizei in der Kirche des Predigers Li Dezian aus Guangzhou eine Razzia durch. Wie berichtet wird, schlugen fünf Beamte Li mit einer Bibel ins Gesicht und auf seinen Hals und versuchten, seine Luftröhre zu treffen. Mit Stahlstangen brachen sie seine Rippen und fügten ihm Verletzungen am Rücken und an den Beinen zu. Als er bereits am Boden lag, sprangen sie auf seinen geschundenen Körper und versetzten ihm Fußtritte, bis er Blut erbrach. Alle in der Kirche Anwesenden - etwa einhundert Gläubige - wurden weggeschleppt.

Auch aus anderen Provinzen wie Shenyang, Xi'an, Fuzhou, Guilin, Tianjin und einigen Gegenden in Sichuan, sowie aus der Sonderwirtschaftszone Shenzhen in Südchina berichtete Human Rights Watch Asia über Razzien, Geldstrafen und Inhaftierungen.

Im Dezember 2001 wurden zwei Vorstandsmitglieder einer chinesischen christlichen Sekte zum Tode verurteilt. Es handelt sich hierbei um die ersten nach dem 1999 verabschiedeten "Anti-Kult-Gesetz" vorgenommenen Exekutionen . Den Informationen des Center for Human Rights and Democracy in Hongkong zufolge wurden Gong Shengliang, der Gründer der nicht-autorisierten South China Church, und seine Nichte Li Ying in der Provinz Hubei in Zentralchina unter anderem wegen "Rowdytum und Vergewaltigung" zum Tode verurteilt. Nach weltweiten Protesten wurde ihre Strafe am 10. Oktober 2002 in lebenslänglich umgewandelt. In einem Bericht über diesen Fall kam die New York Times zu folgendem Schluß: "Nach Ansicht von Diplomaten wollen die chinesischen Behörden die internationale Kritik im Hinblick auf das für diesen Monat in den USA geplante Gipfeltreffen zwischen Jiang Zemin und Bush entschärfen" .

Kürzlich wurde der Hongkonger Bürger Li Guangqiang verhaftet, weil er für eine verbotene evangelikale Gruppe mit Textkommentaren versehene Bibeln nach China geschmuggelt hatte. Er wurde unter der äußerst ernsten Anklage des Versuchs, "mit Hilfe eines religiösen Kultes die Regierung zu stürzen", hinter Gitter gesetzt. Das hätte die Todesstrafe für ihn bedeuten können. Im Hinblick auf eine "positive Atmosphäre" für den Peking-Besuch von Präsident Bush am 21. Februar 2002 wurde Li jedoch lediglich zu zwei Jahren Haft verurteilt . Zwei andere Gläubige, Wang Xuexiao und Liu Xishu, die in der Provinz Anhui unter ähnlich schwerer Anklage standen, wurden dem Center for Human Rights and Democracy in Hongkong zufolge mit drastischen Strafen belegt.

Viele andere einheimische protestantische Sekten wie die "Rufer" , die "Jünger", die Ling Ling Religion, die Holistische Sekte und die Beiliwang-Sekten wurden als illegal erklärt, und die Behörden drohten, sie würden sie alle "zur Strecke bringen und streng bestrafen".

Teil 6

Der Islam in China

Die Zahl der Muslime in China wird auf 17 Millionen angesetzt, ihre tatsächliche Anzahl liegt jedoch vermutlich um 50% darüber. Mit etwa 8,6 Millionen sind die Hui, die auch ethnisch und linguistisch gesehen Chinesen sind, die größte offiziell anerkannte muslimische Gruppierung. Gemeinden der Hui-Minderheit findet man überall in China, denn sie haben kein traditionelles Siedlungsgebiet.

Die Uiguren sind die wichtigste Gruppe unter den turk-stämmigen Muslimen. Mit mehr als 7,2 Millionen bilden sie die vorherrschende Bevölkerungsgruppe in Xinjiang, das eine Gesamtbevölkerung von ungefähr 15 Millionen hat. Die Beziehungen der Hui und der Turk-Muslime zu den Han-Chinesen sind unterschiedlich, auch sind die beiden Volksgruppen keine natürlichen Verbündeten. Erstere werden häufig als "chinesische Muslime" bezeichnet und stehen dem Mainstream der breiten chinesischen Bevölkerung kulturell näher. Die Hui besitzen keine eigentliche Verbindung zu den turk-stämmigen islamischen Gruppen, sie übten in der Vergangenheit jedoch häufig eine gewisse Brückenfunktion zwischen diesen und Peking aus. Trotzdem haben auch die Hui unter der Diskriminierung durch die Han-Chinesen zu leiden, und bei zahlreichen Gelegenheiten haben sie ihr Verlangen nach größerer kultureller und religiöser Freiheit zum Ausdruck gebracht.

In Xinjiang ist der Islam untrennbar mit der dortigen kulturellen und nationalen Identität verbunden, worin die Chinesen eine besondere Bedrohung ihres Herrschaftsanspruchs sehen. Deshalb wurden Moscheen und religiöse Schulen, die als Brutstätten der Regierungsfeindlichkeit gelten, regelmäßig geschlossen und religiöse Aktivisten inhaftiert und schikaniert. Während der Kulturrevolution (1966-1976) wurden in Xinjiang, wie auch überall sonst in China, viele Moscheen zerstört oder geschlossen, altehrwürdige religiöse Stätten entweiht und die geistlichen Würdenträger inhaftiert oder exekutiert. In den achtziger Jahren besserte sich die Lage etwas. Nach Dr. Paul George, einem kanadischen Forscher auf dem Gebiet der internationalen Sicherheit und Entwicklung, "wurden Moscheen neu erbaut oder wieder eröffnet, auch wurde ein gewisser Austausch zwischen den chinesischen Muslimen und den islamischen Gesellschaften außerhalb Chinas gestattet. Der Anteil von chinesischen Muslimen an den jährlichen Hadsch-Wallfahrten nach Mekka wuchs ab Mitte der 80er Jahre stetig, was dazu führte, daß viele gewöhnliche Leute sich mit dem internationalen islamischen Gedankengut und den politischen Entwicklungen auseinandersetzen konnten. Gleichzeitig wurde ausländischen Muslimen der Besuch von islamischen Stätten in China erlaubt; was die Aufmerksamkeit für die weltweite muslimische Glaubensgemeinschaft erhöhte" .

In den frühen 90er Jahren wurden jedoch die Mittel für den Bau und die Renovierung von Moscheen erheblich gekürzt, die öffentliche Übertragung von Predigten außerhalb von Moscheen wurde ebenso verboten wie der Religionsunterricht, religiöses Material durfte nur noch vom staatlichen Amt für Religionsangelegenheiten veröffentlicht werden, religiöse Aktivisten wurden aus staatlichen Stellen entfernt und die Hadsch-Pilgerfahrten wurden streng kontrolliert, wobei die Teilnehmer über 50 Jahre alt sein mußten .

Die alte arabische Schrift, die in dieser Region mehr als tausend Jahre lang verwendet war, wurde jetzt von der chinesischen abgelöst. Tausende traditioneller historischer Bücher wurden vernichtet. Mitglieder der Uyghur American Association bezeugten vor der China-Kommission des US-Kongresses, daß an der Universität Xinjiang selbst der Gebrauch der uigurischen Sprache untersagt wurde .

Die ersten ernsthaften Ausbrüche von Gewalt gegenüber den chinesischen Behörden sind auf die Einführung dieser restriktiven Maßnahmen zurückzuführen und spiegeln Wut und Frustration der uigurischen Volksgemeinschaft über Pekings Wendung um hundertachtzig Grad bei der Gewährung größerer religiöser Freiheit wider.

"Zwar sind sich die Muslime von Xinjiang in den letzten Jahren ihrer ethnischen und religiösen Wurzeln immer mehr bewußt geworden, doch kann dies nicht mit den Anfängen eines islamischen Fundamentalismus gleichgesetzt werden", meint Dr. Paul George. "Abgesehen von wenigen Ausnahmen kann man die Uiguren überhaupt nicht als Fundamentalisten bezeichnen. Eine organisierte, tödliche Kombination von Religion und Gewalt, die in der islamischen Welt von Algerien bis Afghanistan zu beobachten ist, ist in Xinjiang bis jetzt noch nicht in Erscheinung getreten "

Man weiß von einigen wenigen Muslimen aus Xinjinag, die mit den Mujaheddin in Afghanistan und später auch mit den Taliban gekämpft haben. Doch beteuern die uigurischen Volksführer im Exil, daß es sich bei der East Turkestan Islamic Movement (Islamische Bewegung von Ostturkestan), die von den Vereinigten Staaten unlängst der Liste der terroristischen Organisationen hinzugefügt wurde, um eine obskure Gruppierung handle, von der die meisten Uiguren gar nichts wissen. Die weltweiten politischen Auswirkungen dieser Entscheidung auf die uigurische Freiheitsbewegung und auch auf die (sich ständig verschlechternde) Menschenrechtssituation in Ostturkestan sind katastrophal. Der Sprecher der Uighur Information Agency in Washington D.C. erklärte, auf diese Weise würde "Chinas aggressives Vorgehen gegen jedwede Form des Protestes von Uiguren, egal, wie gewaltlos und friedlich dieser auch sein möge, legitimiert".