18. März 2005
Human Rights Watch

Uighurische Gefangene freigelassen, Verzicht auf china-kritische Resolution

Am 17. März entließen die Chinesen Rebiya Kadeer, eine prominente Verfechterin der Rechte der moslemischen Volksgruppe der Uighuren in der nordwestlichen chinesischen Provinz Xinjiang. Sie war 1999 verhaftet worden, als sie unverhohlen mit einem Mitglied einer US-Kongreß-Delegation zusammentraf.
Rebiya Kadeer wird nach ihrer Ankunft in der USA stürmisch von ihrem Mann begrüßt

Indem sie sich gegen das Einbringen einer Resolution mit Kritik an Chinas beschämender Menschenrechtsbilanz bei der UN-Menschenrechtskommission entschlossen, handelten die Vereinigten Staaten entgegen ihren bisherigen Prinzipien, ließ Human Rights Watch heute verlauten. Die US-Delegation bei der jährlichen Tagung dieser Kommission, die gerade in Genf stattfindet, rechtfertigte die Entscheidung mit der Behauptung, China habe Fortschritte bei der Beachtung der internationalen Menschenrechtsnormen gemacht.

"Wir freuen uns sehr, daß Rebiya aus dem Gefängnis gekommen ist, aber die Chinesen sollten keine politischen Pluspunkte für ihre Freilassung bekommen, nachdem sie sie so viele Jahre hinter Gittern gehalten haben", meinte Brad Adams, der Asienreferent von Human Rights Watch. "Sie jetzt laufen zu lassen, ist ein weiteres Beispiel für Chinas "Drehtür"-Politik - nämlich im Hinblick auf die Abwehr von Kritik vor wichtigen internationalen Zusammenkünften ein paar prominente politische Gefangene freizulassen". Um eine Resolution der Menschenrechtskommission zu verhindern, ließ China letztes Jahr eine tibetische Nonne ein Jahr vor dem Ablauf ihrer 17-jährigen Haftstrafe frei.

Human Rights Watch zufolge ist dies das zweite Mal innerhalb von drei Jahren, daß die USA es versäumen, bei der UNO Kritik an Chinas Menschenrechtspraxis zu üben. Im vergangenen Jahr brachten die USA eine China-kritische Resolution ein, aber es fanden sich nicht genügend andere Staaten, die sie mitgetragen hätten. China pflegte schon immer zu einer Vielzahl von diplomatischen und verfahrenstechnischen Tricks zu greifen, um einer Rüge bei der UN Kommission zu entgehen. Es wird sicherlich kein anderes Land geben, welches dieses Jahr bei der Kommission mit einer Resolution gegen China antreten wird.

"Es ist ein Versagen der gesamten internationalen Gemeinschaft, und insbesondere der UN-Menschenrechtskommission, wenn kein einziges Land den Mut aufbringt, das Offensichtliche in Worte zu fassen - nämlich, daß die chinesische Regierung die grundlegenden Menschenrechte mißachtet", fügte Adams hinzu. "Die Welt glauben zu machen, wie die USA es gerade taten, daß China in der Einhaltung der Menschenrechte so sehr fortgeschritten ist, daß es sogar einer Debatte bei der Menschenrechtskommission zu entgehen verdient, ist schlicht unerklärlich und höchst bedauerlich".

Human Rights Watch wies darauf hin, daß auch der Jahresbericht der Vereinigten Staaten über Menschenrechte, der vor noch nicht einmal drei Wochen herauskam, Chinas fortgesetzte Verletzung der Menschenrechte streng verurteilt.

"Über ein Drittel aller weltweit inhaftierten Journalisten sind im letzten Jahr Chinesen gewesen. China hat mehr Menschen hingerichtet als jedes andere Land auf Erden. China verbietet unabhängige Gewerkschaften, die Regierung zieht keinen der Zuständigen zur Verantwortung, auf deren Konto es geht, daß sich vielleicht über eine Million Menschen in der Provinz Henan bei einer "Blut-für-Geld" Aktion mit HIV infizierten - statt dessen geht sie gegen Menschenrechtsaktivisten vor. Die Liste könnte unendlich fortgesetzt werden", meinte Adams. "Wenn an nichts weiter, so sollte uns Rebiyas Freilassung zumindest daran erinnern, daß die Uighuren in Xinjiang nach wie vor von der chinesischen Regierung verfolgt werden".

Rebiya Kadeer wurde 2000 für ihr Wirken in China mit der höchsten Ehrung von Human Rights Watch ausgezeichnet. Am 21. Februar 2000 klagte die Prokuratur (Staatsanwaltschaft) der Stadt Urumqi Frau Kadeer an, "die Gesetze des Landes zu mißachten und Information an Separatisten im Ausland weiterzugeben". Diese Beschuldigung bezog sich darauf, daß sie Kopien von öffentlich zum Verkauf gebotenen Zeitungen ihrem Mann geschickt hatte, der als politischer Asylant in den USA lebt.

Frau Kadeer erlangte Berühmtheit wegen ihrer Anstrengungen, die Entwicklung in Xinjiang zu fördern und wegen ihres "Tausend-Mütter-Projektes", das uighurischen Frauen beistehen sollte, ein eigenes kleines Geschäft zu eröffnen. Die regionale Regierung unterstützte ihre Pläne, bis einige ihrer Söhne sich zu ihrem Vater in die USA absetzten. Im April 1997 wurde Frau Kadeers Paß konfisziert. Im September 1997 verkündete Wang Lequen, der regionale Sekretär der kommunistischen Partei, daß sie das Land nicht verlassen dürfe, weil "ihr Mann die Regierung stürzen wolle und von außerhalb separatistische Aktivitäten betreibe".

Human Rights Watch möchte darauf hinweisen, daß die chinesische Regierung trotz der Freilassung Rebiya Kadeers fortgesetzt die Uighuren, die auf friedliche Weise größere Autonomie für ihre Region fordern, der Beteiligung am internationalen Terrorismus beschuldigt. Peking versagt den Uighuren das Recht auf Versammlungsfreiheit oder freie Ausübung ihrer Religion. Bücher uighursicher Autoren sind verboten; ein prominenter Schriftsteller und ein Dichter verbüßen lange Haftstrafen, weil sie die uighurische Kultur und Geschichte in ihren Werken feierten.