16. Mai 2005
Radio Free Asia, www.rfa.org

Sohn einer ins Exil gegangenen uighurischen Dissidentin versteckt sich vor der Polizei

Washington – Wie der uighurische Dienst von RFA berichtet, ist einer der Söhne der uighurischen Dissidentin Rebiya Kadeer, die sich seit kurzem im Exil befindet, untergetaucht, nachdem die Polizei eine Razzia in seinen Arbeitsräumen durchgeführt und zwei seiner Kollegen festgenommen hat.

In den USA lebende Angehörige der Familie Kadeer berichteten, daß Ablikim Abdiriyim, der 34-jährige Geschäftsführer der Firma seiner Mutter, der Akida Trading Co. in Urumqi, untertauchte, seit die Polizei die Räume der Firma am 11. Mai durchsuchte.

Verwandte, die anonym bleiben möchten, erklärten, Ablikim Kadeer habe sich der Polizei entzogen und halte sich angesichts der ihm drohenden Verhaftung versteckt. Weitere Einzelheiten könnten sie nicht nennen.

Der Direktor der Akida Trading Co., Aysham Kerim, 34, und seine Assistentin, Ruzi Mamat, 25, wurden festgenommen, als die Polizei überfallartig auftauchte. Augenzeugen berichteten, Ruzi Mamat, Mutter eines 7 Monate alten Babys, sei an den Haaren in das Polizeifahrzeug geschleift worden.

Nach den Informationen von Human Rights Watch haben zwei Tage später, am 13. Mai, über 100 Polizisten die Firma heimgesucht und 15 große Säcke voller Dokumente mitgenommen. Aus anderen Quellen verlautet, daß sie auch einen Safe der Firma aufgebrochen und mit der Begründung, die Firma hätte sich der Steuerhinterziehung schuldig gemacht, 35.000 Yuan (etwa US$6.000) in bar an sich genommen hätten.

Nur Angestellte

Die Polizei in Urumqi, die telefonisch kontaktiert wurde, bestätigte die Festnahmen, weigerte sich jedoch weitere Fragen zu beantworten und wollte statt dessen wissen, wie RFA von der Polizei-Razzia erfahren habe.

Sidik Haji Rouzi, der Ehemann von Frau Kadeer, der in Virginia lebt, erklärte, Aysham Kerim und Ruzi Mamat seien völlig apolitisch. “Diese jungen Leute sind nur Angestellte der Firma, sie haben nichts mit Politik zu tun. Ihre Loyalität gilt nur der Firma, Rebiya Kadeer und dem uighurischen Volk… Sie stehen Rebiya Kadeers Familie nahe".

Frau Kadeer selbst meinte, der Polizeiüberfall und die Festnahmen würden genau einem bestimmten Schema entsprechen. “Wenige Stunden, nachdem ich dem norwegischen Fernsehen ein Interview gegeben hatte, in dem ich Kritik an China geübt habe, nahmen die chinesischen Behörden meine Angestellten fest", sagte sie, ohne das Datum des Interviews zu nennen. “Es sieht wirklich so aus, als wollten sie mich treffen und Rache an mir nehmen, indem sie unschuldige Personen, meine treuen Angestellten, festnehmen. Ich bitte die chinesische Regierung eindringlich, nicht die Menschenrechte zu verletzen… und Aysham Kerim und Ruzi Mamat unverzüglich freizulassen", sagte sie. “Wenn sie es nicht tun, werde ich überall offen darüber sprechen. Sie sollten sie besser laufen lassen".

Human Rights Watch berichtete weiter, die Polizei hätte einen Freund von Ablikim Abdiriyim, der angab, nicht zu wissen wo sich Ablikim befinde, festgenommen und zusammengeschlagen. Zwei Stunden später wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt, “nachdem er eine Erklärung unterschrieb, daß er niemals mehr Kontakt zu Mitgliedern der Kadeer Familie pflegen und niemals mehr das Gelände der Firma betreten würde", fügte HRW hinzu.

Frau Kadeers Kinder bedroht

In einem Interview am 28. März sagte Frau Kadeer, eine der berühmtesten politischen Gefangenen Chinas, die chinesischen Aufseher im Gefängnis hätten sie gewarnt, daß die fünf erwachsenen Kinder, die sie in China zurücklasse, “erledigt" würden, falls sie politisch heikle Informationen ausplaudern oder sich mit uighurischen Separatisten im Exil treffen würde.

"Drei Tage, ehe ich freigelassen wurde, kamen acht oder neun Gefängnisaufseher zu mir", berichtete Frau Kadeer. "Sie sagten, ich dürfe hier nicht mit Uighuren zusammenkommen, keinen Umgang mit uighurischen Separatisten pflegen und keine Dinge aus Xinjiang mitteilen, die politisch brisant sein könnten. Sie warnten mich, daß, falls ich es trotzdem tun sollte, mit meinem Unternehmen und meinen Kindern kurzer Prozeß gemacht würde."

Sie erzählte, die Aufseher hätten den umgangssprachlichen Mandarin-Begriff "wandan" gebraucht, was "erledigen, den Rest geben" bedeutet. Sie habe nur die Erlaubnis bekommen, für 18 Monate in den USA zu bleiben, um sich dort in ärztliche Behandlung zu begeben, danach müsse sie wieder nach China zurückkehren. Frau Kadeer wurde im März vor dem China-Besuch der US Außenministerin Rice freigelassen. Sie war seit Mitte 1999 wegen “illegaler Weitergabe von Staatsgeheimnissen an das Ausland" im Gefängnis. Sie wurde im August 1999 festgenommen, als sie gerade auf dem Weg war, um sich mit einer Gruppe amerikanischer Delegierter zu treffen. Als sie am 17. März aus medizinischen Gründen entlassen wurde, um zu ihrem in den USA im Exil lebenden Mann auszureisen, hatte sie 5 ½ Jahre ihrer 8-jährigen Haftstrafe verbüßt. Sechs ihrer elf Kinder blieben in China zurück.

Angriff auf ihre Hinterlassenschaft

“Den Chinesen scheint nicht wohl dabei zu sein, daß sie Rebiya Kadeer ins Exil zwangen, nachdem sie sie jahrelang gefangen gehalten hatten", meinte Brad Adams, der Asien-Direktor von HRW. “Es scheint, als ob sie beschlossen hätten, ihre ganze Hinterlassenschaft zu ruinieren, indem sie ihrem Geschäft den Garaus und ihre Kinder mundtot machen.

Viele der turksprachigen Uighuren, die den größten Teil der 19 Mio. Einwohner von Xinjiang bilden, wünschen sich mehr Autonomie für diese nordwestliche Region Chinas. Peking führt einen erbitterten Feldzug gegen das, was es als gewalttätige separatistische Aktivitäten in Xinjiang bezeichnet.