11. März 2019
Radio Free Asia, www.rfa.org

Jiang Tianyong muss die Ausreise aus China gestattet werden, fordert seine Ehefrau

Die Ehefrau des prominenten chinesischen Menschenrechtsanwalts Jiang Tianyong hat die Regierung aufgefordert, ihm zu gestatten, ins Ausland zu reisen, um sich nach dem Ende seiner Haftzeit letzte Woche medizinisch behandeln zu lassen.

Die Behörden in der zentralchinesischen Provinz Henan erlaubten dem 48jährigen Jiang drei Tage nach seiner Freilassung am Ende einer zweijährigen Haftstrafe wegen "Aufstachelung zur Untergrabung der Staatsmacht" in das Haus seiner Eltern zurückzukehren.

Aber seine in den USA lebende Frau Jin Bianling sagte, daß sie um seine Gesundheit besorgt sei, nachdem er von Zellengenossen gefoltert wurde, um ihn dazu zu bringen, die Anklage gegen ihn zu "gestehen".

Jiang Tianyong (Archivbild), RFA

"Ich möchte, daß Jiang Tianyong in die USA kommt, um sich medizinisch behandeln zu lassen", sagte Jin. "Ich hoffe, daß internationale Menschenrechtsorganisationen weiterhin... Freiheit für Jiang Tianyong und die anderen Menschenrechtsanwälte fordern werden."

Sie sagte, ihr Mann habe seit seiner Rückkehr in sein Elternhaus, wo er unter strenger Aufsicht der Staatssicherheitspolizei steht, Anzeichen von Unwohlsein gezeigt.

"Ich fragte Jiang Tianyong, warum er immer Tränen in den Augen habe, und er antwortete mir, daß er es nicht wüßte, und daß es vielleicht daran liege, daß er seit sehr langer Zeit nicht mehr nach draußen durfte", sagte Jin RFA. "Er sagte mir, er könne nicht aufrecht sitzen, sondern sich nur zur Seite lehnen oder sich hinlegen."

Folter, Misshandlung

Jiang führte seinen schlechten Gesundheitszustand auf Folter und Misshandlung im Gefängnis zurück, wozu auch gehörte, daß er gezwungen war, über lange Zeiträume auf dem kalten, harten Beton zu sitzen.

"Er erzählte mir, daß es da drin einige Schurken gab, die ihn sehr grausam behandelten, damit er gestehe", sagte Jin. "Sie folterten ihn und ließen ihn lange auf hartem, kaltem Beton sitzen."

"Er wurde auch gezwungen, sehr still zu sitzen und durfte über einen längeren Zeitraum keine einzige Bewegung machen. Das habe sein Steißbein zerstört."

Jin sagte, daß Jiang erst dann in sein Elternhaus in der Stadt Xinxiang, Henan, zurückkehren durfte, als er aus Protest in den Hungerstreik getreten war, weil er nach seiner Freilassung am 28. Februar sofort von der Staatssicherheit weggebracht worden war.

Jiang wurde schließlich von der Staatssicherheitspolizei zurückgebracht, nachdem er mehr als 36 Stunden lang das Essen verweigert hatte, sagte sie.

Jin sagte, daß es auch Bedenken wegen der psychischen Gesundheit ihres Mannes und wegen der gravierenden Verschlechterung seines Gedächtnisses gebe.

"Sein Gedächtnis ist wirklich schlecht geworden, was eine direkte Folge des psychischen Traumas ist, das er erlitten hat", meinte sie. "Als Anwalt war sein Gedächtnis ausgezeichnet und sein Verstand sehr scharf."

"Nun gibt es viele Ereignisse und Menschen, an die er sich überhaupt nicht erinnert", sagte Jin. "Er erinnert sich nur, wenn man ihn darauf anspricht."

Gedächtnisverlust

Amnesty International berichtete im vergangenen Juli, daß sich Jiangs körperliche und geistige Gesundheit verschlechtert habe, wobei zu befürchten war, daß er im Gefängnis von Xinxiang von Folter oder anderen Mißhandlungen bedroht ist (1).

Die Menschenrechtsaktivistin Wang Qiaoling sagte, sie sei sehr besorgt über den Gesundheitszustand von Jiang.

"Er kann nicht richtig sitzen und sich nur auf die eine oder andere Seite lehnen, und er hat sein Gedächtnis verloren", sagte Wang.

Der in den USA lebende Rechtswissenschaftler Teng Biao sagte, Jiangs Behandlung sei ähnlich der vieler anderer Rechtsanwälte, die bei einer landesweiten Razzia im Juli 2015 festgenommen wurden.

"Im Grunde ist das nicht anders; er wurde Folterungen ausgesetzt, einschließlich Schlafentzug und Schlägen, und er wurde unter Zwang mit Medikamenten vollgestopft", sagte Teng. "Schon zum Zeitpunkt seines Prozesses sah er aus wie jemand, der mißhandelt worden war."

"Es sieht so aus, als würden die Behörden Jiang Tianyongs Restriktionen nicht so bald lockern", sagte Teng.

„Aufstachelung zur Untergrabung der Staatsmacht".

Jiang, der sich am 22. August 2017 vor dem Mittleren Volksgericht in der Provinzhauptstadt Changsha der „Aufstachelung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ für schuldig bekannt hatte, wurde im November 2017 verurteilt.

Seine Strafe gründete sich auf die Einrichtung einer Aktivistengruppe zur Unterstützung von Menschenrechtsanwälten, die nach einem landesweiten Polizeieinsatz gegen den Beruf seit Juli 2015  inhaftiert sind, so damals das Gericht.

Ihm wurde vorgeworfen, über politisch heikle Fälle "zu spekulieren", "andere dazu anzuregen, sich illegal an öffentlichen Orten zu versammeln" und die öffentliche Meinung "aufzuwiegeln", so die Anklage.

 

(1) 21. Dezember 2016, Sorge um den verschwundenen Menschenrechtsanwalt Jiang Tianyong, Verteidiger tibetischer und chinesischer Aktivisten,
http://www.igfm-muenchen.de/china/Aktuelles/Jiang%20Tianyong_21.12.16.html