24. Januar 2023

Radio Free Asia, www.rfa.org

Neuer Bericht von Free Tibet dokumentiert die Zerstörung religiöser Stätten in Osttibet

Die Bewohner des Bezirks Drango vergleichen die Zerstörung mit einer zweiten Kulturrevolution

Eine 99 Fuß hohe Buddha-Statue dominierte die Landschaft im Bezirk Drango in der Autonomen Tibetischen Präfektur Kardze in der südwestchinesischen Provinz Sichuan.

Ein neuer Bericht der Menschenrechtsorganisation Free Tibet liefert weitere Beweise für die Zerstörung religiöser Stätten und die Mißhandlung von Tibetern durch Chinesen in Osttibet, etwas, das von Einheimischen als zweite Kulturrevolution bezeichnet wird (1).

Die religiösen Stätten und Objekte, die im Bezirk Drango zerstört wurden, umfassen drei kolossale Buddha-Statuen, eine buddhistische Schule, ein Bauwerk mit 45 riesigen Gebetsmühlen, das Haus eines verehrten spirituellen Meisters und die Gebetsfahnen des Klosters Drango, die entfernt und verbrannt wurden, heißt es in dem Bericht von Free Tibet mit Sitz in London.

Dronenbild von Drango vor der Zerstörung

In dem Bericht werden bisher nicht gemeldete Verhaftungen und Folterungen von Einheimischen sowie die Zerstörung von tibetischen Kulturdenkmälern in Drango detailliert beschrieben. Der Bezirk heißt auf Chinesisch Luhuo und liegt in der Autonomen Tibetischen Präfektur Kardze in der Provinz Sichuan.

Der Bericht von Free Tibet und dem angeschlossenen Tibet Watch, das für Recherchen zuständig ist, zeigt, daß die chinesischen Behörden ihre Maßnahmen zur Unterdrückung der Tibeter verstärkt haben, indem sie bedeutende religiöse Strukturen zerstörten und schwere Menschenrechtsverletzungen im Landkreis Drango in der historischen tibetischen Provinz Kham begingen.

„Was wir in dem Bericht sehen, ist ein massiver Angriff auf jede Facette des Daseins der Tibeter, von ihrer Religion bis zu ihrem täglichen Leben, und wir wissen, daß sich dies im gesamten besetzten Tibet wiederholt hat“, sagte John Jones, Kampagnen- und Advocacy-Manager bei Free Tibet.

Seit 2008 haben die Bewohner des Bezirks Drango immer wieder Widerstandsaktionen gegen die chinesische Regierung durchgeführt, woraufhin die Behörden gewaltsam reagierten, 2009 und 2012 griffen sie besonders brutal durch. Peking betrachtet jedes Anzeichen von tibetischem Ungehorsam als einen Akt des Separatismus, der Chinas nationale Sicherheit bedrohe.

Der 42-seitige Bericht mit dem Titel „Schändungen von Heiligtümern im Bezirk Drango: Zerstörung des religiösen Erbes der Tibeter, willkürliche Verhaftungen und Folter“ befaßt sich mit Ereignissen, die zwischen Oktober 2021 und Juni 2022 in Drango stattfanden (2).

Folter und Verhöre

Die Behörden setzten 10 einheimische Tibeter, die während des Berichtszeitraums festgenommen wurden, Verhören und Schlägen aus, weil sie geringfügige Verstöße begangen hatten, etwa, weil sie ihre Verzweiflung über die Zerstörungen zum Ausdruck gebracht hatten, wobei einige von ihnen aufgrund der Schwere der Folter das Bewußtsein verloren, heißt es in dem Bericht. Eine weibliche Gefangene wurde bei eisigen Temperaturen mit kaltem Wasser übergossen.

Der Bericht dokumentiert auch eine neue außergerichtliche Einrichtung, die für politische „Umerziehung“ genutzt wird, und informiert über einen Militärstützpunkt und ein Gefängnis. Seit Oktober 2021 werden verhaftete Tibeter in das Umerziehungs-Zentrum in den nordöstlichen Vororten von Drango gebracht und Verhören und Schlägen ausgesetzt, heißt es in dem Bericht.

Einrichtung zur Umerziehung

Satellitenbilder zeigen ein verlassenes Gebäude am nordwestlichen Stadtrand von Drango, das zur Militärbasis umfunktioniert wurde, so daß der Landkreis nun von drei Sicherheitseinrichtungen umgeben ist, heißt es in dem Bericht.

„Wie in anderen Gebieten Tibets besteht der Hauptgrund für die zunehmende chinesische Repression im Landkreis Drango, Kham, hauptsächlich darin, die tibetische Identität und die tibetische Kultur auszurotten“, zitiert der Bericht die Aussage eines Mönches aus der Gegend vom Januar 2021, der jetzt im Exil lebt.

„Zweitens sollen die einflußreichen Tibeter, die sich für die Freiheit und die Rechte des tibetischen Volkes einsetzen, beseitigt werden, und drittens sollen tibetische Sprach- und Bildungszentren abgeschafft werden“, fügte er hinzu.

Die Zerstörungen eskalierten unter dem Bezirksleiter von Drango, Wang Dongsheng, der auch für die Vertreibung buddhistischer Geistlicher und die Zerstörung der weitläufigen buddhistischen Akademie Larung Gar in Sichuan verantwortlich ist.


Die Zustände ähneln der verheerenden Kulturrevolution


Tibeter vor Ort haben die Zerstörung heiliger Stätten und die Gewaltanwendung gegen Mönche und Laien mit der chinesischen Kulturrevolution (1966-1976) verglichen, so die Äußerung einer lokalen Quelle gegenüber Free Tibet. Diese jahrzehntelange Kampagne, die von Mao Zedong angeordnet wurde, führte in ganz China zu sozialem und politischem Chaos und forderte bis zu zwei Millionen Menschenleben. Während dieser Zeit griffen die Behörden die Religion, die kulturelle Identität und die traditionelle Lebensweise der Tibeter an und setzten die Zerstörung der buddhistischen Stätten fort, die Jahre zuvor begonnen hatte.

Free Tibet stützt sich auf Interviews mit ehemaligen Bewohnern des Bezirks Drango, auf die Analyse von öffentlich zugänglichen Informationen wie Bekanntmachungen und lokalen Nachrichten sowie auf Satellitenbilder, um einige der durch die Zerstörungen verursachten Schäden aufzudecken, so John Jones, Kampagnen- und Advocacy Manager bei Free Tibet.

„Der Bericht ist das Ergebnis von über einem Jahr Detektivarbeit, in dem wir versucht haben, Einzelheiten über die Zerstörung des kulturellen und religiösen Erbes im Bezirk Drango, aber auch über die Schikanierung und die Überwachung der Einheimischen, einschließlich der Verhaftung und Folterung von mindestens zehn Personen, herauszufinden“, sagte er.

Pilger umrunden die riesige Buddhastatue

Die meisten ethnischen Tibeter in China leben in der Autonomen Region Tibet und in den autonomen tibetischen Präfekturen und Landkreisen in den Provinzen Sichuan, Qinghai, Yunnan und Gansu.
„Wir hoffen, daß dieser Bericht die Menschen dazu anregt, sich weiter zu engagieren, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu fordern, nicht nur für die Gemeinschaft, sondern auch, um die Diskussion über die Auswirkungen der Besetzung auf alle tibetischen Gemeinschaften zu verstärken“, sagte Jones.

(1) 28.12.202, „Wie in der Kulturrevolution: Tibetische Mönche und Anwohner werden gezwungen, bei der Zerstörung einer großen Buddha-Statue zuzusehen“ http://www.igfm-muenchen.de/tibet/RFA/2021/Buddha-Statue-Drango_28.12.21.html

(2) „Desecration in Drago County: Destruction of Tibetan Religious Heritage, Arbitrary Detention and Torture“, https://freetibet.org/wp-content/uploads/2023/01/Drago-County.pdf