Oktober 2006
Human Rights Update
Oktober 2006

Inhalt
  1. Todesschüsse der chinesischen Polizei am Nangpa-La Paß
  2. Augenzeugenbericht eines Bergsteigers
  3. NGOs und ausländische Diplomaten verurteilen die Schüsse am Nangpa-La
  4. Tibetischer Mönch verschwunden, Aufenthaltsort unbekannt
  5. Biographie des ehemaligen politischen Gefangenen Penpa Tsering


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Todesschüsse der chinesischen Polizei am Nangpa-La Pass

Das TCHRD verurteilt die Handlungsweise der Chinesischen Bewaffneten Volkspolizei (PAP), die am 30. September 2006 auf eine Gruppe tibetischer Flüchtlinge schoß und dabei mindestens zwei Tibeter, die 17 Jahre alte Nonne Kelsang Nortso, und einen Mann Mitte 20 tötete. Die Schüsse fielen, als sich die 75 Flüchtlinge (plus zwei guides) gerade anschickten, den 18.753 Fuß hoch gelegenen vergletscherten Nangpa-Paß zu überqueren, der sich in der Nähe des Cho Oyu Basislagers befindet. Verschiedenen Berichten zufolge könnten bis zu sieben Tibeter bei der Schießerei ums Leben gekommen sein.

Über den Aufenthaltsort von 32 Flüchtlingen, die in die Hände der Grenzschutzsoldaten gerieten, ist nichts bekannt. Unter ihnen waren 14 Kinder, das jüngste war acht Jahre alt. Ein paar Flüchtlinge, die weder zu den Verwundeten noch zu den Festgenommenen zählen, werden gänzlich vermißt, während 41 Personen (darunter 27 Minderjährige unter 18 Jahren) Kathmandu erreichen konnten, wo sie unter den Schutz des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge gestellt wurden. Diese Gruppe traf am 24. Oktober 3006 über Delhi kommend in Dharamsala, dem Sitz Seiner Heiligkeit des Dalai Lama, ein.

Die chinesische Regierung unternahm, indem sie eine offizielle Erklärung zu den Schüssen abgab, einen für sie sehr ungewöhnlichen Schritt. Das chinesische Außenministerium bestätigte, es seien mehrere Tibeter bei einem Grenzvorfall verletzt worden, es sei jedoch niemand erschossen worden. Den Angaben der Behörden zufolge verstarb einer der Verletzten in einem Krankenhaus infolge Sauerstoffmangels. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, die Tibeter hätten die Soldaten, nachdem diese sie zur Umkehr aufgefordert hätten, angegriffen und sie somit zur Selbstverteidigung gezwungen. Dabei seien zwei Flüchtlinge verletzt worden. Das Außenministerium stimmte dieser Version ausdrücklich zu und behauptete, die PAP-Soldaten hätten nur aus Gegenwehr zur Gewalt gegriffen.

Die Geflohenen hingegen gaben an, sie seien bergauf, also von den Schüssen weg, gerannt. Diese Aussagen wurden von europäischen Bergsteigern, Augenzeugen des Vorfalls, bestätigt. Weiter berichteten sie, mindestens ein Flüchtling sei erschossen worden. Auf der Bergsteiger-Website MountEverest.net schrieb ein amerikanischer Zeuge: "Sie haben ohne Vorwarnung geschossen. Die in einer Reihe gehenden Menschen rannten bergauf; sie befanden sich auf 19.000 Fuß Höhe. Zwei Personen stürzten und standen nicht mehr auf". Nirgends ist die Rede davon, daß die Tibeter Waffen getragen hätten. Ein britischer Bergsteiger berichtete: "In der Nähe des Basislagers waren chinesische Soldaten zu sehen, die im Schnee knieten, ihr Gewehr ansetzten und auf die vollkommen wehrlosen Menschen schossen". Und der rumänische Bergsteiger Sergiu Matei sagte: "Das chinesische Militär jagte die Tibeter auf den Gletscher und schoß auf sie wie auf Ratten, Hunde, Kaninchen, was auch immer". Angesichts der Aussagen der Flüchtlinge, der ausländischen Augenzeugen und der Beweise des Videobands bezeichnet das TCHRD die Behauptung des chinesischen Außenministeriums, die PAP-Soldaten hätten aus Notwehr geschossen, als absurd und fordert die chinesische Regierung auf, genaue Rechenschaft abzulegen.

Die PAP hat durch ihre Schüsse eine Reihe nationaler und internationaler Gesetze verletzt. Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte garantiert "jedem Menschen das Recht, in anderen Ländern um Asyl vor Verfolgung nachzusuchen“. Die Flüchtlingskonvention von 1951 garantiert legitimen Flüchtlingen dieselben Menschenrechte wie Staatsangehörigen.

Die Behauptung des chinesischen Außenministeriums, die Soldaten hätten aus Notwehr geschossen, ist mit dem internationalen Recht nicht in Einklang zu bringen. Artikel 51 der UN-Charta gesteht zwar ein Recht auf Selbstverteidigung zu, dessen Ausübung ist jedoch nur dann rechtmäßig, wenn ein Staatsangehöriger mit Waffengewalt angegriffen wird. Wie durch die Aussagen ausländischer Zeugen bestätigt wurde, verfügten die Flüchtlinge über keine Waffen. Der Bericht zur "Verhütung von Menschenrechtsverletzungen mittels kleiner und leichter Waffen", den die UN-Sonderberichterstatterin Barbara Frey am 7. Juli 2006 vorlegte, definiert das Recht von Staaten auf Selbstverteidigung wie folgt: "Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen kommt ausschließlich dann zur Anwendung, wenn Staaten zur Selbstverteidigung greifen, um sich eines bewaffneten Angriffs auf ihre staatliche Souveränität zu erwehren. Er gilt nicht bei der Selbstverteidigung von Einzelpersonen". Frey fährt fort: "Staatsbedienstete haben sich Rechtsverletzungen mittels kleiner Waffen zu enthalten". Das TCHRD fordert das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte und den Menschenrechtsrat dazu auf, Gerechtigkeit für die am Nangpa-Paß erschossenen tibetischen Flüchtlinge zu schaffen und sicherzustellen, daß diejenigen, die sich gegenwärtig im Gewahrsam der chinesischen Polizei befinden, unverzüglich und ohne Schaden zu nehmen freigelassen werden.

Augenzeugenbericht eines Bergsteigers

Am 11. Oktober 2006 traf ein europäischer Bergsteiger in Kathmandu ein, der beobachtet hatte, wie die PAP auf die unbewaffneten tibetischen Flüchtlinge schoß.

Er erzählte: "Am 30. September 2006 befanden wir uns in unserem Zelt am Cho Oyu. Es war gegen 7.30 Uhr morgens und wir hatten uns noch nicht das Gesicht gewaschen oder gefrühstückt. Das erste, was wir hörten, waren fünf schnell aufeinanderfolgende Schüsse. Wir stürzten aus unseren Zelten und schauten in Richtung Nangpa-La. Dort sahen wir tibetische Flüchtlinge, die in einer Reihe gingen und sich anschickten, den Paß zu überqueren. Direkt hinter ihnen befanden sich mit Gewehren bewaffnete Chinesen, die unablässig auf sie feuerten. Wir sahen, wie zwei Personen getroffen wurden, und wir konnten mit dem Feldstecher beobachten, daß sie nicht mehr aufstanden. Es waren etwa 25-30 chinesische Grenzsoldaten, die alle Gewehre hatten und ohne Warnung das Feuer auf die tibetischen Flüchtlinge eröffneten. Wir hätten doch gehört, wenn sie gerufen hätten, aber sie begannen unvermittelt ohne die geringste Warnung zu schießen. Als wir Europäer das sahen, erfüllte uns Trauer um die Tibeter. Nachdem sie die beiden Personen niedergeschossen hatten, drangen die Soldaten in unser Lager ein und durchsuchten unsere Zelte, um zu kontrollieren, ob sich irgendwelche Flüchtlinge darin versteckten. Tatsächlich hatten sich zwei Tibeter in unserem Toilettenzelt versteckt (einer davon war einer der guides der Gruppe). Die beiden brachen gegen 14.00 Uhr zum Paß auf. Ich wollte mir den Ort ansehen, an dem die Schüsse gefallen waren, aber das wurde mir nicht gestattet. Die chinesischen Soldaten drohten, sie würden uns erschießen, falls wir unsere Zelte verließen.

Vor diesem Ereignis wußte ich nichts über die Lage in Tibet. Als ich und meine Bergsteigerkollegen jedoch diese unmenschliche Tat aus nächster Nähe beobachteten, strömten uns Tränen übers Gesicht. Später an diesem Tag erzählte uns unser tibetischer Koch, mindestens sieben Personen seien erschossen worden, und ich persönlich glaube, daß es wahr ist. Unmittelbar, nachdem ich Zeuge dieses Vorfalls wurde, habe ich die Nachricht weitergegeben und die internationalen Medien und die Presse informiert.

Meine beiden Bergsteigerkollegen (von denen einer ein Polizist aus London ist) wurden gleich nach ihrer Ankunft in Kathmandu von der chinesischen Botschaft einbestellt und gebeten, Stillschweigen über den Vorfall zu bewahren. Sie verließen Nepal innerhalb von zwei Tagen, um weiteren Nachstellungen durch die Botschaft zu entgehen.

Wenn sich die chinesische Botschaft mit mir in Verbindung setzen würde, würde ich sie fragen, warum sie die Tibeter unterdrücken, denen es doch nur um bessere Bildungsmöglichkeiten und ein besseres Leben gehe und die ihre Religion ausüben wollten. Und warum sie Menschen umbringen, nur weil sie sich ein besseres Leben wünschten.

NGOs und ausländische Diplomaten verurteilen die Schüsse am Nangpa-La

Mehrere NGOs, darunter Human Rights Watch in China (HRIC), Unrepresented Nations and Peoples Organization (UNPO) und Human Rights Watch (HRW) sowie zahlreiche ausländische Diplomaten verurteilten die Schüsse vom 30. September, als tibetische Flüchtlinge bei der Überquerung des Nangpa-La zwischen Tibet und Nepal von der Chinesischen Bewaffneten Volkspolizei (PAP) beschossen wurden.

HRIC fordert die chinesische Regierung auf, für die Sicherheit und das Wohlbefinden der verhafteten Kinder zu sorgen und sie ihren Familien zurückzugeben. Ein unabhängiges Expertengremium sollte den Vorfall untersuchen. Weiter fordert HRIC die US-Regierung wie auch die Regierungen anderer Länder auf, bei der Regierung der VR China offiziell Protest gegen die Schüsse am Nangpa-Paß, welche eine ungeheuerliche Verletzung der Menschenrechte darstellen, einzulegen. Besonders wichtig ist, daß diese auch der nepalesischen Regierung ihre Sorge um die Menschenrechte kundtun, damit den jetzt in Nepal befindlichen Tibetern umfassender Schutz gewährt wird.

UNPO äußerte sich besorgt über die Lage der Tibeter, die von Tibet nach Nepal fliehen. Der Generalsekretär der UNPO, Marino Busdachin, rief die Vereinten Nationen und die niederländischen Behörden zur Abgabe einer öffentlichen Erklärung auf, um die chinesische Regierung aufzufordern, der Europäischen Union eine offizielle Darstellung des Vorfalls inklusive einer Namensliste der Erschossenen vorzulegen. Ferner forderte er die chinesischen Behörden zur sofortigen Freilassung der verhafteten Kinder und zur Rücknahme des Schießbefehls auf Zivilisten im Himalaya auf.

Bei einem Besuch im chinesischen Außenministerium legte der US-Botschafter in Peking, Clark T. Randt, formell Protest gegen die Schüsse ein und verurteilte "Chinas Umgang mit Flüchtlingen".

Auch der kanadische Außenminister Peter MacKay verurteilte scharf die Todesschüsse auf die unbewaffneten Tibeter bei der Flucht nach Nepal und teilte dem House of Commons mit: "Kanada verurteilt diesen Gewaltakt gegen unbewaffnete Zivilisten auf das Schärfste und betrachtet ihn als eine eklatante Menschenrechtsverletzung. Wir haben unsere Besorgnis der chinesischen Regierung gegenüber formell zum Ausdruck gebracht". Ferner verwies er auf Chinas Verpflichtungen aus dem UN-Abkommen zum Schutz der Rechte des Kindes: "Wir haben die Chinesen aufgefordert, eine vollständige und unabhängige Untersuchung durchzuführen und die Schuldigen zu bestrafen. Ferner haben wir die sofortige Freilassung der inhaftierten Kinder und ihre Rückführung zu ihren Familien verlangt".

Gleichzeitig vertrat der niederländische Außenminister Ben Bot die Meinung, China sollte die Verantwortlichen für die Schüsse, die Ende September auf tibetische Flüchtlinge abgegeben wurden, identifizieren und bestrafen. Zum Abschluß der Aussprache über seinen Etat für 2007 sagte er, er werde diesen Vorfall bei seinen europäischen Kollegen zur Sprache bringen und für die Aufnahme des Themas in die Tagesordnung der Menschenrechtgespräche, die zwischen chinesischen und europäischen Regierungsvertretern in Peking anstehen, sorgen. Die EU werde das Treffen nutzen, um darauf hinzuweisen, daß die Hintergründe des Vorfalls aufgeklärt und die Schuldigen bestraft werden müssen. Die Schüsse am Nangpa-La werden das Hauptthema bei der bevorstehenden Haager Konferenz zwischen Vertretern des holländischen Außenministeriums und dem chinesischen Botschafter in den Niederlanden sein. Ferner wird der holländische Gesandte bei seiner im Dezember vorgesehenen Chinareise ebenfalls Menschenrechtsfragen zur Sprache bringen.

Auch der italienischen Regierung wurde eine Frage bezüglich des Todes eines unschuldigen Tibeters auf der Flucht aus dem besetzten Tibet nach Nepal gestellt. Sie wurde während einer Fragestunde im Außenministerium von den Abgeordneten der Radikalen Partei (Radicali della Rosa Nel Pugno) Bruno Mellano und Sergio d'Elia vorgebracht.

Der französische Abgeordnete Senator Lionnel Luca forderte eine unabhängige Untersuchung der Schüsse, die am 30. September 2006 am Nangpa-Paß auf tibetische Flüchtlinge fielen. Der Abgeordnete, der auch Präsident der Tibetgruppe im französischen Parlament ist, sagte, alle 140 Mitglieder der Tibetgruppe im französischen Parlament seien empört über diesen heimtückischen Angriff, sie verurteilten die Verletzung des internationalen Rechts auf das Schärfste und forderten die Vereinten Nationen zur Aufnahme einer unabhängigen Untersuchung auf. Weiter forderte er Präsident Jacques Chirac dazu auf, das Thema bei seiner bevorstehenden Chinareise bei seinem chinesischen Amtskollegen zur Sprache zu bringen.

Die EU thematisierte die Schüsse, die am Nangpa-La auf Tibeter abgefeuert wurden, im Rahmen des EU-China-Menschenrechtsdialogs am 19. Oktober 2006 in Peking. In einer Presseverlautbarung des EU-Präsidenten heißt es, die EU habe eine Aufklärung der Schüsse, die am 30. September am Nangpa-Paß fielen, verlangt und China zur gründlichen Untersuchung des Vorfalls aufgefordert.

Die in den Vereinigten Staaten ansässige Organisation Human Rights Watch forderte die chinesische Regierung in einer Erklärung dazu auf, eine unabhängige Untersuchung des Angriffs des chinesischen Militärs auf eine Gruppe von 75 tibetischen Flüchtlingen an der nepalesischen Grenze zu gestatten, der zum Tod mindestens einer jungen Frau führte.

"Seinem Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit zum Trotz hat China niemals eine glaubwürdige und transparente Untersuchung der fragwürdigen Taten seiner Sicherheitskräfte vorgenommen", sagte Sophie Richardson, die stellvertretende Direktorin der Asiensektion von HRW. "Einer Untersuchung, die von denjenigen Beamten vorgenommen wird, welche diese Schüsse implizit oder explizit gebilligt haben, würde es an Glaubwürdigkeit mangeln. Deshalb muß die Regierung eine unabhängige Untersuchung über die Geschehnisse am Nangpa-La zulassen". HRW forderte ferner die Rücknahme des Schießbefehls, der die Grenztruppen zur Eröffnung des Feuers auf unbewaffnete Zivilisten ermächtigt.

Das Europäische Parlament verurteilte am 26. Oktober 2006 die brutalen Schüsse der PAP auf 75 unbewaffnete tibetische Flüchtlinge und nahm einstimmig eine Resolution zu Tibet an, in der insbesondere die Ereignisse am Nangpa-Paß thematisiert wurden.

Die Abgeordneten dankten zudem der finnischen EU-Ratspräsidentschaft für ihr offizielles Statement vom 26. Oktober 2006, in dem sie die chinesische Regierung verurteilte und die Behauptung Chinas, es habe sich bei den Schüssen um Notwehr gehandelt, zurückwies.

Weiter befand die Kommission, die chinesische Tibetpolitik stehe nicht im Einklang mit dem von China am 5. Oktober 1998 unterzeichneten Internationalen Abkommen über bürgerliche und politische Rechte.

Tibetischer Mönch verschwunden, Aufenthaltsort unbekannt

Der 19jährige tibetische Mönch Thubten Samten ist aus seinem Zimmer im Kloster Sera in Tibet verschwunden. Wie aus unseren Quellen verlautet, wird befürchtet, daß die chinesische Polizei ihn wegen vermeintlicher politischer Aktivitäten abgeführt hat.

Dem TCHRD gingen zuverlässige Informationen zu, nach denen Thubten am Morgen des 23. Mai 2006 verschwand. Sein Aufenthaltsort ist bis heute nicht bekannt. Mitglieder eines chinesischen Arbeitsteams sollen ihn schon früher verwarnt haben, weil er in seinem Raum verbotene Gegenstände aufgestellt hatte, darunter Bilder des Dalai Lama und des Panchen Lama sowie die tibetische Nationalflagge. Damals soll er dem Arbeitsteam entgegengehalten haben, es sei seine persönliche Angelegenheit, wem er Respekt erweise.

Unseren Quellen zufolge könnte die Polizei ihn verhaftet haben, weil er sich den Anweisungen der Behörden widersetzt hatte und möglicherweise an der Verbreitung von Plakaten, die mehrfach im Kloster Sera und an gewissen Plätzen in Lhasa aufgetaucht waren, beteiligt war.

Thubten Samten wurde in Zachukha, Provinz Sichuan, geboren. Bevor er nach Lhasa kam, ging er im Kloster Margey (tib. Mar-dge) seinen Studien nach. Vor vier Jahren trat er ins Kloster Sera in Lhasa ein, wo er bis zu seinem Verschwinden im Mai 2006 im Ser-jhe Jadrel Khangtsen lebte.

Seit Januar 2006 dokumentierte das TCHRD 18 bekannt gewordene Fälle von willkürlicher Verhaftung wegen angeblicher politischer Aktivitäten.

Biographie des ehemaligen politischen Gefangenen Penpa Tsering

Tsering kam 1970 in Tsemonling, Lhasa, zur Welt. Er besuchte die Gya-Bum-Gang-Grundschule in Lhasa und erlernte später den Beruf des Malers. Seinen Lebensunterhalt verdiente er mit Malerarbeiten in den Tempeln und Klöstern und deren Umgebung.

Am 27. September 1987 nahm Penpa an der ersten Demonstration für die Unabhängigkeit Tibets teil, zu der es nach 1959 gekommen war und die von 20 Mönchen aus dem Kloster Drepung angeführt wurde. Danach beteiligte er sich auch an den friedlichen Massendemonstrationen, die 1988 und 1989 in Lhasa stattfanden. Er schwenkte dabei die tibetische Nationalflagge und rief Parolen wie "Freiheit für Tibet", "Chinesen zurück nach Hause", "Tibet gehört den Tibetern" und "Lang lebe der Dalai Lama".

Am 7. März 1989 gegen Mitternacht wurde er in seiner Wohnung festgenommen und zuerst in einer Polizeistation, später im früher unter dem Namen Outridu bekannten Lhasa-Gefängnis inhaftiert. Anschließend kam er in das Haftzentrum der TAR Seitru. Bei den Verhören wurde er schwer geschlagen und mußte unmenschliche Folter erdulden. Noch im selben Jahr verurteilte ihn der Mittlere Volksgerichtshof Lhasa wegen "Aufhetzung zu regierungsfeindlicher Propaganda" zu drei Jahren Gefängnis, woraufhin er in die Einheit Nr. 2 des Drapchi-Gefängnisses verlegt wurde. Im Januar 1989 wurde dort die neue Einheit Nr. 5 eröffnet, in der alle politischen Gefangenen zum Zweck der effektiveren Überwachung zusammengefaßt wurden. Auch Penpa wurde dorthin verlegt.

Am 27. April 1991 wurde Penpa ohne Vorankündigung und ohne, daß seine Mitgefangenen etwas davon mitbekamen, von seinem Arbeitsplatz in den Zellenblock geschafft. Gleichzeitig wurden auch die politischen Gefangenen Tempa Phulchung aus Lhasa und Gyaldar, ein Mönch aus dem Kloster Gaden, in den Zellenblock befohlen. Gemeinsam mit zwei anderen politischen Gefangenen Tempa Wangdak, einem Mönch aus Gaden, und dem ehemaligen Studenten der Universität Lhasa, Lobsang Tenzin, die direkt aus der Einzelhaft kamen, wurden sie ins Haftzentrum Seitru gebracht. Nachdem sie dort die Nacht verbracht hatten, kam am folgenden Morgen Wachpersonal aus Drapchi und sagte ihnen, es sei keinerlei Verbesserung ihres Verhaltens festzustellen und sie bildeten einen permanenten Unruheherd im Gefängnis. Deshalb werde man sie auf Anweisung von oben in das nahe der Stadt Tramo im Distrikt Pome, Präfektur Nyingtri, TAR, gelegene Powo-Tramo-Gefängnis (früher als TAR-Gefängnis Nr. 2 bekannt) verlegen. In einem kleinen Polizeifahrzeug und mit gefesselten Händen und Füßen brachte man sie noch am selben Tag dorthin. Sie mußten dort Tag für Tag Schwerarbeit verrichten.

Nach vollständiger Verbüßung seiner Haftstrafe wurde Penpa gleichzeitig mit vier weiteren politischen Gefangenen, die ihre Strafen in verschiedenen Gefängnissen abgesessen hatten, am 7. März 1992 entlassen. Sein ehemaliger Mitgefangener Lobsang Tenzin sitzt hingegen im neu erbauten Chushul-Gefängnis ein.

Nach seiner Freilassung blieb er einen Monat in Lhasa und floh dann ins Exil nach Indien. Nachdem er vom Dalai Lama empfangen worden war, ließ er sich in Nepal nieder und trat noch 1992 der Gu-Chu-Sum-Bewegung Tibets (Vereinigung ehemaliger politischer Gefangener) bei. Im September 2004 wurde er von deren Generalversammlung zum Vorstandsmitglied gewählt und übt nun diese Tätigkeit aus.